Die Malerin und Schriftstellerin Phyllis Pearsall (1906-1996) war einmal im Jahr 1935 zu einer Party im Londoner Stadtteil Belgravia eingeladen, eine Gegend, die sie nicht kannte. Sie nahm ihren Stadtplan zu Hilfe, der aus dem Jahr 1919 stammte (einen aktuelleren gab es nicht), und verlief sich fürchterlich in dem Londoner Straßengewirr. Der Stadtplan war eben völlig veraltet. Irgendwie erreichte sie die Party dennoch, aber das Thema „Stadtplan“ ging ihr an diesem Abend nicht aus mehr dem Sinn.
Am nächsten Tag startete sie ein Projekt, das sie ein Jahr lang in Atem halten sollte und sicherlich mehrere Paar Schuhe kostete: Sie ging sämtliche 23 000 Straßen Londons ab, was in etwa einer Strecke von 5 000 km entsprach. 18 Stunden pro Tag soll sie durch London gelaufen sein und dabei den ersten Entwurf eines „A-Z“-Stadtplans gezeichnet haben.
STOP: Stimmt das auch wirklich alles?? Der Journalist Peter Watts meint in seinem Blog, nein, stimmt nicht, und bezieht sich dabei auf den Chef der Kartenabteilung der British Library Peter Barber, der ihm sagte: „The Phyllis Pearsall story is complete rubbish. ‘There is no evidence she did it and if she did do it, she didn’t need to“.
Liegen somit alle falsch, die BBC, die Wikipedia usw., die alle die gleiche schöne Geschichte von der straßenablaufenden Phyllis Pearsall erzählen? Möglicherweise. Pearsalls Großvater stellte Kartenmaterial her und Enkelin Phyllis soll, so die andere Version der Geschichte, diese Straßenkarten lediglich erweitert und auf den neuesten Stand gebracht haben; das ganze nannte sie dann „A-Z“.
Wie auch immer: Der Stadtplan „London Geographer’s A–Z Street Atlas“ mit seinen mittlerweile ca 70 000 nachgewiesenen Straßen ist das Hilfsmittel Nummer 1, um sich in der Metropole zurechtzufinden. Wie lange noch? Bald werden wohl Smartphone-Apps die gedruckten Stadtpläne ablösen.
£5.95 kostet der aktuelle Stadtplan, der mit „Aaron Hill“ beginnt und bei „Zoroastrian House“ endet. Leider ist das Druckbild recht klein, so dass man manchmal eine Lupe benötigt, um die winzige Schrift entziffern zu können.
Das Buch zum Artikel:
Phyllis Pearsall: A. to Z. Maps – The Personal Story: From Bedsitter to Household Name. Geographers‘ A-Z Map Co 1990. 205 Seiten. ISBN 978-0850392432.