
5, Cheyne Walk im Londoner Stadtteil Chelsea. Hier wohnte John Camden Neild.
Author: Edwardx
This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
In der Welt der englischen Exzentriker gab es immer wieder Männer, deren Bankkonto prall gefüllt war, die aber wie heruntergekommene Landstreicher lebten. Ich denke da vor allem an John Elwes, über den ich in meinem Blog schon einmal berichtete. Eine ähnliche Figur war John Camden Neild, der von 1780 bis 1852 lebte. Er erbte von seinem Vater rund £250 000, was in der damaligen Zeit ein riesiges Vermögen war. Doch statt sich von dem Geld ein angenehmes Leben zu machen, hortete er es und versuchte es zu vermehren.
John Camden Neild hatte eine gute Ausbildung in Eton und am Trinity College in Cambridge genossen und arbeitete in London als Rechtsanwalt. Eigentlich waren das alles gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere, aber Neild hatte andere Pläne. Geldausgeben war nicht sein Ding, er entwickelte sich zu einem Geizhals par excellence. In seinem großen Haus dicht an der Themse, Nummer 5 Cheyne Walk im Stadtteil Chelsea, dort, wo heute der High Commissioner von Zypern residiert, fristete Neild ein erbärmliches Leben. In den Räumen des Hauses standen fast keine Möbel, was eigentlich auch überflüssig war, denn er bewohnte nur einen einzigen Raum, in dem er auf dem Fußboden schlief. Kleider spielten für Neild so gut wie keine Rolle, er trug uralte Klamotten, die er nie ausbürstete, denn das könnte ihnen ja schaden. Auch im Winter war er ohne Mantel unterwegs, denn die Anschaffungskosten dafür wollte er sich ersparen. Wenn er seine weitläufigen Güter außerhalb Londons besuchte und die Pacht kassierte, tat er das meistens zu Fuß und wohnte dann bei seinen Pächtern, was ihn nichts kostete und die Verpflegung bekam er dann auch gratis.
Als er einmal das Dach der Kirche St Mary’s in North Marston (Buckinghamshire) neu decken lassen musste (es führte kein Weg daran vorbei, denn die Kirche stand auf seinem Grund und Boden), beaufsichtigte er die Arbeiter oben auf dem Dach, damit sie ja nichts von dem bereitgestellten Material (es handelte sich dabei um das billigstmögliche) für sich abzweigten.
Hier in der Kirche fand John Camden Neild auch seine letzte Ruhestätte, nachdem er am 30. August 1852 in seinem Londoner Haus gestorben war. In seinem Testament hinterließ er sein Vermögen, das sich inzwischen auf £500,000 angesammelt hatte, an Königin Victoria, die sich über diesen unerwarteten Geldregen natürlich sehr freute. Umgerechnet nach heutigem Wert waren das etwa £25 Millionen. Sie kannte Neild gar nicht, aber um sich nachträglich bei ihm zu bedanken, ließ sie in St Mary’s in North Marston den Altarraum, unter dem der Geizhals beigesetzt worden war, neu herrichten und ein Glasfenster zu seiner Erinnerung einbauen. Hier kann man das Glockengeläut von St Mary’s hören.
Was hatte damals Queen Victoria mit dem Geld gemacht? Da gibt es mehrere Vermutungen, darunter den Kauf des Balmoral Castles in Schottland, den Bau des Frogmore-Mausoleums oder die Bestreitung der immensen Ausgaben für die Hochzeiten ihrer Kinder.
North Marston liegt zwischen Aylesbury und Winslow, etwas abseits der A413, die die beiden Orte verbindet.

St Mary’s in North Marston (Buckinghamshire).
Photo © Bikeboy (cc-by-sa/2.0)

Das Glasfenster im Altarraum von St Mary’s, das Queen Victoria in Auftrag gab.
Photo © Basher Eyre (cc-by-sa/2.0).