The Redcliffe Flyover in Bristol – Ein Provisorium, das über 30 Jahre lang seinen Dienst tat

In der Innenstadt von Bristol herrschte schon in den 1960er Jahren starker Verkehr. Gerade im Bereich der Region Temple Way /St Mary Redcliffe kam es immer wieder zu Staus. Da kamen die Stadtplaner von Bristol auf die Idee, eine behelfsmäßige Entlastung in Form des Redcliffe Flyovers zu installieren, der 1967 in Betrieb genommen wurde. Diese Hochstraße war 300 Meter lang, stand 5,5 Meter über dem Boden und war 3,40 Meter breit, ruhte auf 16 Stahlsäulen und kostete £120 000. Bristols Bürger mochten das Monstrum anfangs gar nicht und bezeichneten es als Schandfleck in der Stadtlandschaft…aber der Flyover zeigte Wirkung, denn die ständig verstopfte Kreuzung, die er entlastete, war nicht mehr ganz so problematisch. Wer gar nicht über den Redcliffe Flyover erfreut war, das waren die Gäste des Grosvenor Hotels, an dessen Fenster der Verkehr ziemlich dicht vorbeiflutete. Nachdem sich die Bristolians allmählich an die Hochstraße gewöhnt hatten, machte es vielen sogar Spaß, die enge kurvige Behelfsstraße zu befahren, die ein wenig Achterbahngefühl vermittelte.

Den Stadtplanern von Bristol fiel im Laufe der Jahrzehnte (!) einfach nichts Besseres ein wie man das Verkehrsproblem auf andere Weise lösen konnte, und so blieb das Provisorium über 30 Jahre lang stehen. In dem Film „Radio On“ des Regisseurs Chris Petit aus dem Jahr 1979 taucht der Flyover immer wieder auf wie diese Szene daraus zeigt, als ein Auto am Grosvenor Hotel vorbeifährt.

Schließlich ging es dem Redcliffe Flyover doch an den Kragen, er sollte 1998 abgerissen und durch einen großen Kreisverkehr, das Temple Meads gyratory system, ersetzt werden, Viele waren darüber sehr traurig und kamen kurz vor Abriss noch einmal zu einer letzten Abschiedsfahrt hierher. Am 13. Juni 1998 wurde die Hochstraße geschlossen, und die Abbrucharbeiten begannen. Eine Ikone Bristols hatte ihr Ende gefunden.
Wer heute hier mit dem Auto unterwegs ist und sich nicht auskennt, braucht starke Nerven, denn der Verkehr ist zu Spitzenzeiten mörderisch und die Orientierung ist nicht leicht. Temple Gate heißt jetzt die nagelneue Verkehrsführung, die das Temple Meads gyratory system ersetzt hat.

Published in: on 14. Oktober 2020 at 02:00  Kommentar verfassen  
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Die Statue des Edward Colston in Bristol und ihr Ende am 7. Juni 2020

Wer hätte gedacht, dass der brutale Einsatz eines Polizeibeamten in Minneapolis in den USA dazu führen konnte, dass im einige tausend Kilometer entfernten Bristol in England eine Statue von ihrem Podest entfernt und im Hafenbecken der Stadt versenkt wurde? Von den weltweiten Anti-Rassismus-Kundgebungen fanden auch einige in Großbritannien statt, darunter in Bristol. Am letzten Sonntag zogen dort Demonstranten in die Colston Avenue, wo seit 1895 eine über fünf Meter hohe Statue des Mannes steht, der auch Namensgeber der Straße ist: Edward Colston. Vor allem der schwarzen Bevölkerung Bristols war diese Figur ein Dorn im Auge, denn Colston, der von 1636 bis 1712 lebte, war ein Sklavenhändler und dafür verantwortlich, dass über 80 000 Menschen aus britischen Kolonien in Westafrika in die Plantagen der Karibik verschleppt wurden, wodurch sich die Schatulle Colstons gut füllte. Ein paar Jahre war er als Parlamentsmitglied für Bristol tätig. Sein Reichtum verwendete er aber auch für gute Zwecke, so ließ er 1691 in der King Street und auf dem St Michaels Hill in Bristol Armenhäuser erbauen, förderte Schulen und Krankenhäuser und war so ein Wohltäter für die Stadt im Westen Englands. Als er 1712 starb, wurde er in der All Saints‘ Church in Bristol beigesetzt.

Für seine Verdienste um die Stadt setzte man ihm ein Denkmal, das der Bildhauer John Cassidy entwarf und das am 13. November 1895 in Anwesenheit des Bürgermeisters und des Bischofs von Bristol eingeweiht wurde. „Erected by citizens of Bristol as a memorial of one of the most virtuous and wise sons of their city AD 1895“ steht auf dem Denkmal zu lesen, das 1977 als Grade II eingestuft wurde (besonders bedeutende Bauwerke von allgemeinem Interesse).

An Edward Colstons Statue schieden sich die Geister, die einen sahen in ihm den Wohltäter, die anderen den Sklavenhändler und plädierten dafür, das Denkmal zu entfernen. Am vorigen Sonntag nahmen die Demonstranten die Angelegenheit in ihre eigenen Hände und warfen die Statue kurzerhand in das Hafenbecken von Bristol. Die Londoner Politiker reagierten mehrheitlich empört auf die Aktion, sprachen von Vandalismus und meinten, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Hier ist ein Film über die Aktion.

Ob wohl jetzt die Colston Avenue (die A38) und das Hochhaus Colston Tower umbenannt werden?

Colstons Almshouses (St Michael’s Hill).
Photo © Richard Hoare (cc-by-sa/2.0)

Colston Avenue.
Photo © Derek Harper (cc-by-sa/2.0)

Der Colston Tower.
Photo © Paul Harrop (cc-by-sa/2.0)

 

Published in: on 10. Juni 2020 at 02:00  Comments (8)  
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Wie die Stadt Bristol in den 1940er Jahren dazu beitrug, den East River Drive in New York zu bauen

Teil des East River Drives in New York, der heute Franklin D. Roosevelt Drive heißt. Author: Bob Jagendorf. This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.

Teil des East River Drives in New York, der heute Franklin D. Roosevelt Drive heißt.
Author: Bob Jagendorf.
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Im Zweiten Weltkrieg wurden viele englische Städte durch deutsche Bombenangriffe zerstört. Neben London, Coventry und Plymouth, um nur einige zu nennen, traf es auch die Stadt Bristol sehr hart. Am 24. November 1940 fegte eine erste Angriffswelle über Bristol, mit verheerenden Auswirkungen. Neben Tausenden von Toten und Verletzten fielen auch Wohnhäuser, Bürogebäude, Kirchen den Bomben zum Opfer, und der Schutt der zerstörten Gebäude türmte sich meterhoch. Wohin nun damit?
Da kam jemand von den städtischen Verantwortlichen auf eine Idee. Viele Schiffe, die aus den USA Vorräte nach Großbritannien brachten, fuhren leer wieder über den Atlantik zurück. Als Ballast füllte man diese Schiffe mit dem Bauschutt aus Bristol auf, die den wiederum in New York abluden, und da man dort damals gerade den East River Drive baute, verwendete man das, was von den zerstörten Häusern in Bristol übriggeblieben war, als Fundament für den Straßenbau auf der anderen Seite des Atlantiks und schüttete einen Teil des East Rivers auf.

In Erinnerung an diese Aktion benannte man die Aufschüttung am East River „Bristol Basin“ und enthüllte am 29. Juni 1942 in Anwesenheit von Bürgermeister Fiori La Guardia (nach dem auch einer der Flughäfen New Yorks benannt wurde) eine Bronzeplakette an der Ecke East River Drive und 25th Street.
Anfang der 1970er Jahre errichte man auf dem Gelände des Bristol Basins einen viertürmigen Wohnkomplex, dem man den Namen Waterside Plaza gab. Die Erinnerungsplakette aus dem Jahr 1942 wurde während der Bauarbeiten entfernt und im Dezember 1974 erneut an einer Mauer angebracht. Dieses Mal enthüllte sie der Hollywood-Schauspieler Cary Grant, der 1904 in Bristol geboren worden war. Hier ist ein Film über die Plaketten auf beiden Seiten des Atlantiks (eine Replika dieser Plakette wurde auch im Zentrum von Bristol angebracht.)

Der East River Drive in New York heißt heute Franklin D. Roosevelt Drive. Die wenigsten, die diese autobahnähnliche Straße befahren, sind sich wohl im klaren darüber, dass sie auf dem Abschnitt zwischen der 23. und der 34. Straße über Baumaterial fahren, das vor mehr als  75 Jahren noch einige Tausend Kilometer entfernt in England in Form von Häusern stand.

Waterside Plaza in New York, erbaut auf dem Schutt zerstörter Häuser aus Bristol. Author: Beyond My Ken. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International.

Waterside Plaza in New York, erbaut auf dem Schutt zerstörter Häuser aus Bristol.
Author: Beyond My Ken.
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Published in: on 3. April 2016 at 02:00  Kommentar verfassen  
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The People’s Republic of Stokes Croft – Eine Aktivistengruppe in Bristol mit ungewöhnlichen, kreativen Ideen

Banksys "The Mild Mild West".    © Copyright Eirian Evans and   licensed for reuse under this Creative Commons Licence.

Banksys „The Mild Mild West“.
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Stokes Croft ist ein Stadtviertel in Bristol, das sich um die gleichnamige Straße gruppiert, die auch gleichzeitig die A38 ist. Der Ruf des heruntergekommenen Viertels war schlecht, es gab viele Wohnungs- und Geschäftsleerstände, also eine recht desolate Gegend. Was tun, um Stokes Croft wieder auf die Beine zu stellen? 2007 gründete sich eine Gruppe von Aktivisten, die sich um ihren Vorsitzenden Chris Chalkley scharte und sich provokativ The People’s Republic of Stokes Croft (PRSC) nannte. Ihr Ziel war und ist es noch immer, die wirklichen Interessen der Bürger des Viertels zu vertreten und nicht das kommentarlos hinzunehmen, was ihnen „von oben“ aufgedrückt wird. Da gab es zum Beispiel vor einigen Jahren den Fall, dass die Supermarktkette Tesco an der Cheltenham Road eine Filiale aufmachen wollte. Die Bewohner sträubten sich mit Händen und Füßen dagegen, sie wollten keinen weiteren Supermarkt in ihrem Viertel. 93% sprachen sich gegen Tesco aus, trotzdem gab der City Council von Bristol grünes Licht für das Bauvorhaben. Die PRSC war entsetzt und prompt gab es nach der Eröffnung der Tesco Express-Filiale im April 2011 Proteste, die zuerst friedlich verliefen, dann aber eskalierten, als ein Gebäude direkt gegenüber des Supermarkts von der Polizei von Hausbesetzern geräumt wurde. Bei der Aktion wurde der neue Tesco-Laden beschädigt und einige Plünderer bedienten sich kostenlos an dem Warenangebot.

Ein Kernstück der Arbeit der PRSC ist die Verschönerung ihres Viertels durch Wandmalereien; das mag zwar nicht jedermanns Sache sein, aber hier sind in den letzten Jahren Kunstwerke entstanden, die allemal besser aussehen als die öden grauen Häuserwände. Schon in den 1990er Jahren hatte der berühmte, mysteriöse Street Art Künstler Banksy das Wandbild „The Mild Mild West“ in Stokes Croft geschaffen. Eben jener Banksy unterstützt die PRSC immer wieder, z.B. mit einem von ihm gestalteten Poster, das einen Molotow-Cocktail zeigt, auf dessen Flaschenetikett „Tesco Petrol Bomb“ steht. Banksy-Fans kamen aus dem ganzen Land nach Bristol, um sich ein Exemplar dieses Limited Editions-Posters zu kaufen. Den Verkaufserlös erhielt die Volksrepublik Stokes Croft.
Die Kunstwerke sollen nach Meinung der PRSC nicht in Galerien, sondern auf der Straße zu sehen sein, so dass sich alle daran erfreuen können. „PRSC will actively seek to ensure that Stokes Croft remains a Centre for Excellence in The Arts and for innovative thinking„, so steht es auf den Webseiten der Organisation und „to borrow ideas from the past and weld them into the present„.

Stokes Croft ist jahrzehntelang von den zuständigen Behörden bewusst und in krimineller Weise vernachlässigt und wie der letzte Dreck behandelt worden, so die PRSC, und dagegen wehren sich die mutigen und kreativen Aktivisten, die dem Viertel wieder Leben eingehaucht und es ein Stück attraktiver gemacht haben.

Hier ist ein Film des Guardian über PRSC mit ihrem Vorsitzenden Chris Chalkley.

Tesco war hier nicht erwünscht.    © Copyright Eirian Evans and   licensed for reuse under this Creative Commons Licence.

Tesco war hier nicht erwünscht.
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Hier beginnt die Volksrepublik Stokes Croft.    © Copyright Neil Owen and   licensed for reuse under this Creative Commons Licence.

Hier beginnt die Volksrepublik Stokes Croft.
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Bristol – Großbritanniens größtes Street Art Projekt „See No Evil“

   © Copyright Trevor Johnson

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Bristol ist wirklich eine hochinteressante Stadt. Nicht nur, dass Bristol einer der umweltbewusstesten Orte im ganzen Königreich und eine der grünsten Städte der Welt ist, durch ein Projekt im Jahr 2011 machte sie dieses Mal in Künstlerkreisen von sich reden, als sie „See No Evil“ startete. Was verbirgt sich dahinter?

Die Nelson Street war eine jener langweiligen, architektonisch uninteressanten Straßen, die von öden Bürogebäuden und heruntergekommenen Wohnhäusern gesäumt wurde. Um das zu ändern, kam man auf die Idee, aus der Nelson Street das größte Street Art Projekt im ganzen Land zu machen. Vom 16. bis zum 19. August 2011 gab man die Straße für die besten Outdoor-Maler und Graffiti-Künstler der Welt frei, damit sie hier ihre Wandmalereien ausführen konnten.

Organisiert wurde das Event von Inkie, der aus der Graffiti-Szene der Stadt Bristol stammt. Es kamen Künstler u.a. aus Paris, New York, Los Angeles und Barcelona wie Kashink, Tats Cru, El Mac und Aryz. Aber auch aus Bristol stammende Künstler malten in diesen Tagen in der Nelson Street wie Nick Walker, Andy Council und Sickboy.

Sehr gelungen finde ich das riesige Bild eines Wolfs des spanischen Künstlers Aryz, das fast die ganze Fassade des Drake House einnimmt. Die graue Wand des elfstöckigen St. Lawrence House wurde von Nick Walker umgestaltet und zeigt das Bild eines Bankers, der eine Dose mit roter Farbe auskippt. Gleich daneben an einer Seitenwand schuf El Mac aus Los Angeles ein Mutter-Kind-Gemälde, das wie ein übergroßes Foto aussieht.

Im August 2012 wurde die Aktion „See No Evil“ noch einmal wiederholt und neue Gemälde geschaffen, wobei die drei oben erwähnten aber stehen blieben. Es beteiligten sich dieses Mal auch neue Graffiti-Künstler wie der Deutsche CANTWO.

Aus der desolaten Nelson Street ist durch das Projekt jetzt eine farbenfrohe interessante Straße geworden, die Menschen aus aller Welt anlockt.

Dieser Film berichtet über die Aktion.

Das Buch zum Artikel:
Stephen Morris: See No Evil. Tangent Books 2011. 64 Seiten. ISBN 978-1906477547.

Author: Sean Kisby. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

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   © Copyright Neil Owen

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Published in: on 9. Dezember 2012 at 02:00  Kommentar verfassen  
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Bristol ist die radfahrerfreundlichste Stadt Großbritanniens

Fahrradständer und Zahlstation in Bristol. - © Copyright Anthony O'Neil and licensed for reuse under this Creative Commons Licence

Das britische Magazin „Cycling Plus“ hat die 20 größten Städte des Landes unter die Lupe genommen und sie auf ihre „Radfahrerfreundlichkeit“ geprüft. And the Winner is… Bristol. Damit hat die Stadt im Westen Englands Konkurrenten wie Nottingham und Leicester abgehängt.

Vor 2 Jahren hatte das englische Verkehrsministerium Bristol bereits als „UK’s first Cycling City“ gekürt. Die Stadt sollte insgesamt 23 Millionen Pfund erhalten, um die Radwege auszubauen und sicherer zu machen.

Faktoren für die Beurteilung waren u.a. die Zahl der Pendler mit Fahrrad, die Anzahl der Fahrraddiebstähle, die Fahrradwege, die Schadstoffbelastung und die Unfälle, an denen Fahrräder beteiligt waren.
Rob Spedding, der Herausgeber des Magazins „Cycle Plus“ meinte: „Local cyclists still feel that progress isn’t being made quickly enough, but the UK holds up Bristol as a shining example when it comes to the number of riders, bike shops, traffic free routes and low pollution levels.“

Nach dem Pariser Vorbild kann man in Bristol mittels Hourbike jetzt auch Fahrräder mieten.

London rangiert übrigens auf Rang 17; noch schlechter stehen die Städte Glasgow, Birmingham und das Schlusslicht Bradford dar.

Published in: on 6. April 2010 at 19:33  Kommentar verfassen  
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