The Association of British Investigators und der Zena Scott Archer Award

Heute knüpfe ich noch einmal an meinen gestrigen Blogeintrag über Privatdetektivinnen an. The Association of British Investigators (ABI) wurde 1913 von Harry Smale gegründet. Sie vertritt die Interessen der englischen Privatdetektive, deren Mitglieder noch immer weit zahlreicher männlich als weiblich sind. Seit 1988 vergibt die ABI einen Preis, der aber nach einer der erfolgreichsten englischen Privatdetektivinnen benannt worden ist, den Zena Scott Archer Award. Die 1921 geborene, auch „Mrs Sherlock Holmes“ genannte Detektivin, hat merkwürdigerweise noch nicht einmal einen Wikipediaeintrag, was hoffentlich bald nachgeholt wird. Sie war auch die erste Präsidentin der World Association of Detectives.

Der Zena Scott Archer Award ist eine prestigeträchtige Auszeichnung für weibliche und männliche Privatdetektive, die sich bei ihrer Arbeit in besonderer Weise hervor getan haben. Tom J. Connell war der erste Preisträger, Brenda Balmer war 1994 die erste Frau, die den Preis erhielt, ihr folgte 1998 Sarah Martin und dann war erst wieder im Jahr 2022 eine Frau an der Reihe, Jen Jarvie von der Detektei Jarvie-Khan.

Jen Jarvie hat sich unter anderem auf Cold Cases spezialisiert, also auf lange zurückliegende Kriminalfälle, die nicht gelöst und von der Polizei zu den Akten gelegt worden sind. Den Preis erhielt sie vor allem für ihre unermüdliche Arbeit an dem nach wie vor ungelöstem Mordfall Ann Heron, die am 3. August 1990 in ihrem Haus in Darlington (County Durham) ermordet wurde. Alle Versuche, den Fall zu lösen, auch „Crimewatch“, die britische Version von „Aktenzeichen XY“, bereitete den Fall im Fernsehen auf, scheiterten. Jen Jarvie, deren Detektei auch im County Durham angesiedelt ist, hat eng mit den Verwandten von Ann Heron zusammengearbeitet, doch ist es auch ihr (noch) nicht gelungen, den Mörder dingfest zu machen.

Der nächste Zena Scott Archer Award wird in diesem Jahr vergeben.

Das Buch zum Artikel:
Lyndsay Bird: Zena – The Housewives‘ Detective. Matador 2023. 320 Seiten. 978-1805140795. (Lyndsay Bird ist eine Verwandte der Privatdetektivin)

Alice Diamond and the Forty Elephants – Eine berüchtigte Bande von Ladendiebinnen

The Elephant and Castle-Distrikt heute.
Photo © Robin Stott (cc-by-sa/2.0)

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in London für die Inhaber von Geschäften mit hochwertigen Waren im Westend ein echtes Problem: Ladendiebstahl. Ganze Gangs waren unterwegs, um zu stehlen, und das waren hauptsächlich Frauen.
Am berüchtigsten waren The Forty Elephants, eine Diebstahlsbande, die schon im 19. Jahrhundert in der Londoner Geschäftswelt für Unruhe gesorgt hatte, und die ihren männlichen „Kollegen“ in Sachen Verbrechen in nichts nachstand. Benannt waren die „shoplifting ladies“ nach The Elephant and Castle, dem Bezirk, aus dem sie ursprünglich herstammten. Eine ihrer Anführerinnen war Alice Diamond (auch Diamond Annie genannt), die von 1896 bis 1952 lebte und die den Job von ihrer Vorgängerin Mary ‚Polly‘ Carr um 1915 herum übernommen hatte. Sie sollte als Queen of the Forty Thieves, beziehungsweise Queen of the Forty Elephants, in die englische Kriminalgeschichte eingehen. Die Elefantinnen waren straff organisiert und zogen mit ihren präparierten, voluminösen Kleidern in den Westen Londons los, wo es die meisten Edelshops gab. Sie waren äußerst erfinderisch in ihren Methoden, gestohlene Ware in verborgenen Taschen und anderen Konstruktionen unter ihren Kleidern zu verbergen.

Einige aus der Gang heuerten auch in wohlhabenden Haushalten als Dienstmädchen an und raubten nach kurzer Zeit ihre Arbeitgeber aus.

Vom Verkauf des Diebesguts konnten sie alle ein mondänes Leben führen. Da sie alle aus einem armen Lebensumfeld kamen, wären die Alternative für sie, weiterhin ein Leben in Armut zu führen oder die Prostitution gewesen.

Alice Diamond weitete die Diebeszüge ihrer Gang auch auf andere Regionen Englands aus, als ihnen der Boden in London etwas zu heiß geworden war. Sie musste einige Male ins Gefängnis, nachdem sie doch von Ladendetektivinnen erwischt worden war, aber das Risiko nahmen sie und ihre Kolleginnen in Kauf. Alice trug teure Kleidung und wertvollen Schmuck und besaß, wie andere auch, für damalige Verhältnisse schnelle Autos. Die Aktivitäten der Forty Elephants reichten bis in die 1950er Jahre, doch dann hatten die Ladenbesitzer durch den Einsatz neuer Anti-Diebstahls-Techniken in ihren Geschäften den Ladies nach und nach das Wasser abgegraben, die dann den langsamen Elefantentod starben.
Dieser Film erzählt die Geschichte von Diamond Annie und ihrer Gang noch einmal nach.

Eine „Ziehtochter“ Alice Diamonds war Shirley Pitts (1934-1992), die ich in meinem Blog schon einmal vorgestellt habe.

Published in: on 11. März 2024 at 02:00  Comments (3)  

„Der Giftanschlag von Salisbury“ – Eine Mini-TV-Serie auf Arte

In diesem Haus in Salisbury ereignete sich der Giftanschlag.
Photo: Richard Avery.
Creative Commons 4.0

Am 14. März zeigt der Sender Arte erneut die vierteilige BBC-TV-Serie „The Salisbury Poisonings“ unter dem deutschen Titel “ Der Giftanschlag von Salisbury„. Im Juni 2021 wurde die Serie schon einmal auf Arte gesendet.

Der 4. März 2018 war für Salisbury in der Grafschaft Wiltshire, der Stadt mit dem höchsten Kirchturm Großbritanniens, ein Schicksalstag. An diesem Tag wurde auf den ehemaligen russischen Offizier und Doppelagenten Sergei Skripal und seine Tochter Yulia ein Attentat mit dem Nervengift Nowitschok ausgeübt, ein Gift, das in der Sowjetunion entwickelt und in Russland weiter entwickelt worden war. Wer mit dem hochtoxischen Gift in Berührung kommt, begibt sich in Lebensgefahr.

Der Fall Skripal wird in der TV-Serie noch einmal aufgerollt. Im Mittelpunkt steht die Direktorin des Gesundheitsamtes von Wiltshire Tracy Daszkiewicz, gespielt von Anne-Marie Duff (zuletzt in der Comedyserie „Bad Sisters“ zu sehen). Tracy setzt alles daran, zu ermitteln, wo das Nervengift herstammt. Salisbury muss dekontaminiert werden, die Bevölkerung steht unter Schock. Detective Sergeant Nick Bailey (gespielt von Rafe Spall, dem Sohn des Schauspielers Timothy Spall) ist mit Nowitschok in Berührung gekommen und muss im Krankenhaus behandelt werden. Er, wie auch die Skripals, überleben. Nachdem in Salisbury wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt ist, ereignen sich zwei weitere ähnlich gelagerte Fälle im nahe gelegenen Amesbury (Wiltshire). Auch Charlie Rowley und Dawn Sturgess kommen mit Nowitschok in Berührung. Dawn stirbt kurz darauf im Salisbury District Hospital.

„Der Giftanschlag von Salisbury“ wurde nur zum Teil in Salisbury selbst gedreht; man wollte den Bürgern der Stadt nicht zu viel zumuten. So wurden viele Szenen stattdessen in Bristol gedreht; auch Original-Filmaufnahmen von den damaligen Ereignissen sind mit eingebaut worden.

Auf eindringliche Weise zeigt die TV-Serie wie die 42 000 Einwohner von Salisbury unter den Ereignissen gelitten haben. Hier ist der Trailer zu sehen, und dieser Film dokumentiert den Giftanschlag.

Siehe zum Thema auch meine früheren Blogeinträge über den Fall Skripal und den Fall Alexander Litwinenko.

Published in: on 2. März 2024 at 07:00  Comments (1)  

Mein DVD-Tipp: Manhunt II – Auf der Jagd nach dem Night Stalker

Copyright EDEL MOTION

Zwischen 1984 und 1985 ermordete Richard Ramirez in Los Angeles dreizehn Menschen und vergewaltigte viele von ihnen; genannt wurde er der Night Stalker. Auch im Südosten Londons machte sich des Nachts von 1992 bis 2009 ein Mann auf den Weg, um meist alleinstehende, ältere Frauen sexuell zu missbrauchen und ihnen ihr Geld wegzunehmen; dieser Mann wurde ebenfalls Night Stalker genannt. Die Metropolitan Police schaffte es einfach nicht, dieses Verbrechers habhaft zu werden, bis schließlich Detective Chief Inspector Colin Sutton kurz vor seiner Pensionierung hinzugerufen wurde, um der „Operation Minstead„, wie die Taskforce der Polizei genannt wurde, neues Leben einzuhauchen. DCI Sutton hatte sich vorher einen Namen gemacht, indem er den Fall Levi Bellfield gelöst hatte, der als Hammermörder in die Annalen der Londoner Polizei eingegangen ist.

Colin Sutton hat über beide Fälle Bücher geschrieben, die für das Fernsehen in zwei Serien verfilmt worden sind. Die DVD „Manhunt I„, in dem es um den Fall Bellfield geht, habe ich in meinem Blog bereits vorgestellt, nun ist die DVD „Manhunt II“ mit dem Fall des Londoner Night Stalkers, dessen Name Delroy Grant war, in deutscher Synchronisation im Dezember letzten Jahres bei EDEL MOTION erschienen.

Wieder spielt Martin Clunes die Rolle des DCI Colin Sutton. Das bemerkenswerte an dieser englischen TV-Serie ist, dass der Regisseur Marc Evans weitgehend auf brutale und gewalttätige Szenen verzichtet und die minutiöse Polizeiarbeit in den Mittelpunkt stellt. DCI Sutton hat es zuerst nicht ganz leicht, in das seit Jahren ermittelnde Team aufgenommen zu werden, aber seine Methoden werden schließlich anerkannt und führen auch zum Ziel. Durch nächtelange Observierungen im Südosten Londons, die sehr viel Manpower und Womanpower gekostet haben, kann der Night Stalker nach siebzehn Jahren endlich dingfest gemacht werden. Am Ende stellt sich heraus, dass der Täter schon viele Jahre früher hätte überführt werden können, wenn da nicht eine Panne bei den Ermittlungsarbeiten gewesen wäre… DCI Colin Sutton wird nach diesem weiteren Erfolg in den Ruhestand gehen, eine Aussicht, der er mit gemischten Gefühlen entgegensieht.

Hier ist der Trailer zu dieser großartigen TV-Serie.

DCI Colin Sutton und ein Teil seines Teams.
Copyright EDEL MOTION

Published in: on 26. Januar 2024 at 02:00  Kommentar verfassen  

Der Jill Dando Memorial Garden in Weston-super-Mare (Somerset)

Photo: Geof Sheppard.
Creative Commons 4.0

Am 26. April 1999 wurde die Fernsehmoderatorin Jill Dando vor ihrem Haus in der Gowan Avenue Nummer 29 in Fulham in London erschossen. Dem Mörder gelang die Flucht, er konnte aber bis heute nicht identifiziert werden. Sie wurde gerade einmal 37 Jahre alt. Es ist einer jener mysteriösen Kriminalfälle mit denen sich Jill Dando in ihrer TV-Sendung „Crimewatch“ beschäftigt hatte, der britischen Ausgabe von „Aktenzeichen XY“ (siehe dazu meinen Blogeintrag). Der Mord an der beliebten, und in gewissen Kreisen gefürchteten, Moderatorin, erregte damals in Großbritannien großes Aufsehen. Wer steckte dahinter? Theorien gab es viele, doch keine erwies sich als zielführend.

Am 21. Mai 1999 fand die Trauerfeier für Jill Dando in der Clarence Park Baptist Church in Weston-super-Mare in Somerset, ihrem Geburtsort, statt, in Anwesenheit vieler ihrer Freunde. Hier sind einige Bilder. Beerdigt wurde sie neben ihrer Mutter auf dem Ebdon Road Cemetery in Weston.

In ihrem Namen wurde zwei Jahre nach ihrem Tod das Jill Dando Institute of Security and Crime Science in London ins Leben gerufen, das ist eine Forschungseinrichtung des University College London, die sich mit Kriminologie befasst.

In Weston-super-Mare gibt es eine Erinnerungsstätte an die TV-Moderatorin, die ebenfalls zwei Jahre nach ihrem Tod eingeweiht worden ist, den Jill’s Garden im Grove Park, mitten in der Stadt. Angelegt wurde der Garten vom Team der BBC-Sendung Ground Force, über die ich vor langer Zeit in meinem Blog einmal berichtete. Er ist ganz in Jill Dandos Lieblingsfarben gehalten, daher enthält er unter anderem Rosen, Lavendel und Clematis. Dieser Film zeigt den Gedenkgarten, und hier erinnert sich Cliff Richard an Jill Dando, die beide sehr befreundet waren.

Die Gowan Avenue im Londoner Stadtteil Fulham.
Photo © David Howard (cc-by-sa/2.0)

Die Clarence Park Baptist Church in Weston-super-Mare.
Photo © Jaggery (cc-by-sa/2.0)

Sir Bernard Henry Spilsbury (1877-1947) – Einer der berühmtesten Rechtsmediziner Großbritanniens

This photo created by the United Kingdom Government is in the public domain.

Er hat einen ganz besonderen Platz in der Kriminalgeschichte Großbritanniens, der berühmte Rechtsmediziner und Pathologe Sir Bernard Spilsbury, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an der Aufklärung aufsehenerregender Mordfälle beteiligt war. Mit dem Fall Dr Hawley Harvey Crippen im Jahr 1910 begann Spilsburys Karriere, als er die menschlichen Überreste, die in Crippens Haus gefunden wurden, als die seiner Frau identifizieren konnte. Dann war der Fall des Herbert Rowse Armstrong, dem er nachweisen konnte, dass er seine Frau mit Arsen getötet hatte. Viel Aufsehen erregte damals der sogenannte „Brides in the Bath“-Mörder George Joseph Smith, der drei Frauen in einer Badewanne umbrachte; Sir Bernard Spilsbury konnte ihm das nachweisen.

In seiner Karriere soll der Pathologe mehr als 25 000 Menschen obduziert habe; seine Auftritte vor Gericht waren legendär, was er sagte, galt als unanfechtbar. Später kamen in Fachkreisen Zweifel auf, ob Sir Bernards Aussagen wirklich immer objektiv waren und ob sich die Geschworenen vielleicht manchmal auf Grund seiner Reputation zu einem Urteil haben leiten lassen und nicht auf Grund der Beweislage.

Sir Bernard Spilsbury erlitt in den 1940 Jahren einige persönliche Schicksalsschläge, als zwei seiner Söhne und seine Schwester starben, was zu Depressionen bei ihm führte. Er erlitt zwei Schlaganfälle, seine manuellen Fähigkeiten bei Autopsien ließen nach, und er litt unter Geldmangel, da er nach der Zahl der Autopsien bezahlt wurde. Schließlich nahm er sich am 17. Dezember 1947 im Londoner University College das Leben, indem er in seinem Labor den Gashahn aufdrehte. Sir Bernards sterbliche Überreste wurden im Golders Green Crematorium in London verbrannt.

Noch einige Hinweise zu seinem Leben: Geboren wurde er am 16. Mai 1877 in Leamington Spa in Warwickshire, in der Bath Street Nummer 35, wo sein Vater eine Apotheke betrieb, die noch heute existiert und über der eine blaue Plakette angebracht ist. Eine weitere Plakette findet man an Spilsburys langjährigem Wohnhaus unter der Adresse 31 Marlborough Hill im Londoner Stadtteil St John’s Wood. Die letzte Zeit seines Lebens verbrachte er im Langorf Hotel, 18-20 Frognal, nahe der Finchley Road in Hampstead, das noch heute in Betrieb ist.

Hier ist ein Film über die Ausstellung „Sir Bernard Spilsbury: The Father of Forensics“, die im National Justice Museum in Nottingham stattfand.

Sir Bernards Geburtshaus in der Bath Street Nummer 35 in Leamington Spa mit Plakette.
Photo © 360Libre (cc-by-sa/2.0).

31 Marlborough Hill in St John’s Wood, ebenfalls mit einer blauen Plakette versehen.
Photo: Spudgun67.
Creative Commons 4.0

Published in: on 14. Oktober 2023 at 02:00  Kommentar verfassen  

10. August 1935 – Ein rabenschwarzer Tag in der Geschichte von Shutford in Oxfordshire

The George and Dragon und die Kirche St Martin’s.
Photo © Basher Eyre (cc-by-sa/2.0)

Das kleine Shutford liegt im äußersten Norden der Grafschaft Oxfordshire, sieben Kilometer westlich von Banbury. Hier wohnte ich einmal kurzzeitig im Pear Tree Cottage, einem hübschen, aus dem 17. Jahrhundert stammenden, reetgedeckten Haus, das über einen „inglenook fireplace“ verfügte. Shutford war früher einmal dafür bekannt, dass in dem Ort hochwertiger Plüsch hergestellt wurde, der in vielen Königshöfen Europas und Asiens Verwendung fand. Doch lang ist es her, dass dieses Gewerbe den Bach herunter gegangen ist; Shutford durchlebte eine schwierige Zeit, viele Häuser standen leer und verfielen. Aber das ist alles glücklicherweise Vergangenheit, denn in dem Dorf hat sich allerlei Kleingewerbe niedergelassen und viele Häuser zeugen davon, dass sich hier wieder ein gewisser Wohlstand breit gemacht hat.
Es gibt einen netten Pub, „The George and Dragon“ (der zur Zeit leider geschlossen ist, da der Landlord im vorigen Jahr gestorben ist), dahinter steht die Kirche St Martin’s, alles geht hier ruhig und friedlich zu, wie man sich das für ein Dorf am Rande der Cotswolds auch wünscht.

ABER: Es gab auch einen rabenschwarzen Tag in der Geschichte Shutfords, das war der 10. August 1935, an dem binnen weniger Stunden vier Menschen starben. In ihrem Buch „Oxfordshire Murders“ schreibt die True-Crime-Autorin Nicola Sly von dem Fall. Kurz vor Mitternacht hielt ein Linienbus vor der Dorfschmiede, um Hilda May Gibbs und ihre Schwester Ivy Cora Goode aussteigen zu lassen. Da fielen plötzlich Schüsse, die beide Schwestern trafen und auch die hinter ihnen sitzenden Brüder Joseph und William Messenger, die vom Dorffest nach Hause fahren wollten. Der Bus fuhr sofort mit hoher Geschwindigkeit weiter ins Krankenhaus von Banbury, wo im Laufe der Nacht sowohl die beiden Schwestern als auch Joseph Messenger verstarben.
Wer war nun der Todesschütze? Es war der Dorfschmied Wilfred Gibbs, der Ehemann von Hilda May Gibbs, die beide in Trennung lebten und ständig Streit wegen ihres gemeinsamen Kindes hatten, das der Ehemann für sich beanspruchte. Nach den tödlichen Schüssen, richtete Gibbs sein Gewehr auf sich selbst und erschoss sich. Es muss eine Kurschlusshandlung des Dorfschmieds gewesen sein, denn noch einige Stunden vorher, hatte er sich auf dem Dorffest vergnügt und dabei Preise im Tontaubenschießen gewonnen.
Es war ein tragischer Tag in der Geschichte eines kleinen Dorfes, der sich hoffentlich nie mehr wiederholt.

Weitere Details zu dem Mordfall findet man in dem oben erwähnten Buch:
Nicola Sly: Oxfordshire Murders. The History Press 2010. 154 Seiten. ISBN 978-0752453590.

Das Pear Tree Cottage in der West Street in Shutford- Eigenes Foto.
Das Pear Tree Cottage in der West Street in Shutford.
Eigenes Foto.

Published in: on 22. Juni 2023 at 02:00  Comments (4)  

Jack the Rippers Opfer – Tatorte und Grabstellen

Das Jahr 1888 ist in die Annalen der britischen Kriminalgeschichte eingegangen als das Jahr, in dem in wenigen Monaten die spektakulärste Mordserie aller Zeiten stattgefunden hat und der Täter nie gefasst wurde. Den Namen Jack the Ripper kennt auch heute, nach 135 Jahren, noch jeder in der ganzen Welt. Die Namen der fünf Opfer hingegen, die alle aus ärmlichen Verhältnissen stammten, sind nur noch denjenigen geläufig, die sich näher mit den Taten beschäftigen.

Anhand von Bildern möchte ich heute die Tatorte in London zeigen, wo die fünf zu Tode gekommen sind und wo sie ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Mary Ann „Polly“ Nichols wurde am 31. August 1888 in den frühen Morgenstunden in der Straße Bucks Row im East End ermordet. Diese Straße existiert nicht mehr, hier verläuft jetzt die Durward Street. Beerdigt wurde sie auf dem Great Ilford Cemetery, auch Buckingham Road Cemetery genannt, im Osten Londons in Grab Nummer 49 500.

Etwa hier wurde Polly ermordet.
Photo: Random Things Entering My Field of Vision.
Creative Commons 2.0

Great Ilford Cemetery.
Photo © Martin Addison (cc-by-sa/2.0)

Das nächste Opfer Jack the Rippers war Annie Chapman, auch Dark Annie genannt. Sie starb am 8. September 1888 im Hinterhof des Hauses 29 Hanbury Street. Ihre Grabstelle liegt im Manor Park Cemetery im Osten Londons; sie wurde mit einem Schild gekennzeichnet, auf dem zu lesen steht, dass sie ein Opfer Jack the Rippers geworden ist.

Zeitgenössisches Foto vom Tatort.
This work is in the public domain 

Manor Park Cemetery.
Photo © Marathon (cc-by-sa/2.0)

Jack the Rippers Opfer Nummer 3 wurde Elizabeth „Long Liz“ Stride am 30. September 1888. Gefunden wurde ihre Leiche in der Berner Street Nummer 40, der heutigen Henriques Street in Whitechapel. Ihre Grabstelle: East London Cemetery an der Grange Road im Ortsteil Plaistow.

Der Tatort in der Berner Street.
This work is in the public domain 

Der Est London Cemetery in Plaistow.
Photo © Glyn Baker (cc-by-sa/2.0)

Catherine Eddowes fiel ebenfalls am 30. September 1888 Jack the Ripper zum Opfer. Ihren leblosen Körper fand ein Polizist am Mitre Square. Wie auch Annie Chapman wurde sie auf dem Manor Park Cemetery beigesetzt. Ihre Grabstelle erhielt 1996 eine Erinnerungsplakette.

Photo © Tony Emptage (cc-by-sa/2.0)

Photo: Matt Brown.
This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.

Am 9. November 1888 schließlich starb Mary Jane Kelly durch die Hände des Rippers im Miller’s Court an der Dorset Street; dort steht heute ein Parkhaus. Ihre letzte Ruhestätte ist der St Patrick’s Roman Catholic Cemetery an der Langthorne Road. Hier ist ein Film darüber.

Miller’s Court. This image is in the public domain.

St Patrick’s Roman Catholic Cemetery.
Photo © John Salmon (cc-by-sa/2.0)

Published in: on 3. Mai 2023 at 02:00  Comments (3)  

Die Ermordung des Spencer Perceval in der Lobby des House of Commons in London am 11.Mai 1812

Spencer Perceval. Porträt, das im Londoner Apsley House hängt.
This work is in the public domain

In den Vereinigten Staaten sind bisher vier Präsidenten während ihrer Amtszeit ermordet worden: Abraham Lincoln, James A. Garfield, William McKinley und John F. Kennedy. In Großbritannien dagegen ist nur einmal ein Premierminister einem Attentat zum Opfer gefallen. Am 11. Mai 1812 starb der heute nur noch wenig bekannte Spencer Perceval (1762-1812) in der Lobby des britischen Parlaments. Der Täter: John Bellingham, ein Kaufmann aus Liverpool.

Percevals politische Karriere begann als Parlamentsmitglied für Northampton, später wurde er Schatzkanzler und schließlich Premierminister, von 1809-1812. Perceval war nicht besonders beliebt in der politischen Szene Anfang des 19. Jahrhunderts in London. Er hatte Schwierigkeiten, die Ministerposten zu besetzen, musste sich mit einer Wirtschaftskrise auseinandersetzen und war in den Halbinselkrieg in Spanien involviert.

Als Spencer Perceval an jenem verhängnisvollen Nachmittag des 11. Mai 1812 auf dem Weg zu einem Untersuchungsausschuss die Parlamentslobby betrat, wurde er durch einen Schuss in die Brust von John Bellingham auf der Stelle getötet. Der Attentäter unternahm keinen Fluchtversuch, sondern ließ sich festnehmen. Der Grund für das Attentat: John Bellingham fühlte sich durch die Regierung Spencer Percevals schlecht und ungerecht behandelt. Der 1769 in St Neots in Cambridgeshire geborene Bellingham war in eigenen Handelsangelegenheiten in Russland unterwegs gewesen und dort wegen angeblichen Betrugs verhaftet und für mehrere Jahre ins Gefängnis gesteckt worden. Er beklagte sich bitterlich, dass die britische Botschaft und auch niemand sonst in London helfen wollte. Nachdem der finanziell ruinierte Bellingham wieder zurück in der Heimat war, schrieb er an den Premierminister und verlangte vom Parlament Entschädigung für seine Zeit im Gefängnis, doch keiner dort war bereit, ihm unter die Arme zu greifen. Voller Zorn kaufte er sich in London zwei Pistolen, marschierte ins Unterhaus und beendete die Karriere des Premierministers durch einen Schuss ins Herz. Bellingham wurde im Old Bailey vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und am 18. Mai 1812 öffentlich gehängt.

Die St. Neots Local History Society ließ im Jahr 2009 an Bellinghams Geburtshaus eine Gedenktafel anbringen.
Auch Spencer Perceval erhielt eine Plakette, ganz in der Nähe des Attentatsortes im Londoner Parlament, außerdem sind zwei Straßen in der Hauptstadt nach ihm benannt worden, die Spencer Street und die Perceval Street, die auf zwei Seiten den Northampton Square einrahmen. In der Westminster Abbey ist ein Denkmal für ihn errichtet worden. Sein Grab befindet sich in der Kirche von St Luke’s im Londoner Stadtteil Charlton.

Hier ist ein Film über die Ermordung des Premierministers.

Das Attentat im Londoner Parlament.
This work is in the public domain.

Memorial für Perceval Spencer in St Luke’s in Charlton.
Photo © Stephen Craven (cc-by-sa/2.0)

Erinnerungsplakette an John Bellinghams Geburtshaus in St Neots in Cambridgeshire.
Photo: Afterbrunel.
Creative Commons 4.0

Published in: on 15. April 2023 at 02:00  Kommentar verfassen  

Die Landhausmorde in Knowsley Hall (Merseyside) am 9. Oktober 1952

Photo: SLR Jester.
Creative Commons 2.0

Am 9. Oktober 1952 nahm Lady Derby Isabel Milles-Lade gegen 20.15 Uhr ihr Abendessen im ersten Stock ihres Landhauses Knowsley Hall ein. Das prächtige Haus, das nur wenige Kilometer von Liverpool entfernt ist, gehörte den Earls of Derby schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Aus dem geplanten, ruhigen Abendessen für die Dame des Hauses wurde aber nichts, denn der Abend entwickelte sich zu einer blutigen Tragödie. Einer der Bediensteten von Knowsley Hall, der 19jährige Harold Winstanley, der sich als Footman ausbilden ließ, betrat den Raum mit einer Maschinenpistole bewaffnet und eröffnete das Feuer auf die Lady, die schwer verletzt zu Boden stürzte. Als der Butler Walter Stallard herbei eilte wurde auch er von einer Salve aus der MP getroffen; er brach zusammen und starb auf der Stelle. Als nächstes erschoss Winstanley den um sein Leben flehenden Unter-Butler Douglas Stuart, verletzte Lord Derbys Kammerdiener William Sullivan, die Haushälterin Mrs Turley und den Koch Mr. Dupuy. Der völlig verwirrte und neben sich stehende junge Mann beruhigte sich erst nach einiger Zeit, verließ Knowsley Hall und begab sich in einen Pub, wo er ein Bier trank, anschließend mit dem Bus nach Liverpool fuhr und sich der Polizei stellte.  „I don’t know why I did it, I want to tell you all about it. I suppose I will have to pay for what I have done”, waren seine Worte, nachdem er festgenommen worden war.

Harold Winstanley wurde in Manchester vor Gericht gestellt, wo der Urteilsspruch lautete: „Guilty but insane„, der junge Mann hatte vermutlich an dem Abend unter einem Schizophrenie-Schub gelitten. Er wurde ins Broadmoor Hospital nach Crowthorne in Berkshire eingeliefert.

Glücklicherweise konnte sich Lady Derby von ihren Verletzungen wieder erholen. Lord Derby, der an dem verhängnisvollen Abend außer Haus war, ließ kurze Zeit später einige Teile von Knowsley Hall abreißen, das Landhaus war einfach zu groß und zu teuer im Unterhalt geworden. 1971 entstand auf dem Gelände ein Safaripark. Das Haus wird heute für Veranstaltungen, Tagungen und Hochzeiten verwendet, auch einige Filme wurden hier gedreht wie „The Ipcress File“, „Stayclose“ und “ Peaky Blinders“, alle im Jahr 2021.
Hier sind einige Bilder von der Hall.

Der Name Harold Winstanley taucht übrigens in der Folge 2 der ersten Staffel von Midsomer MurdersDeath of a Hollow Man“ (dt. „Requiem für einen Mörder“) auf. Diesen Namen trägt darin der exzentrische Theaterdirektor der Causton Amateur Dramatics Society. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Personen mit dem gleichen Namen gibt es nicht.

Photo © Ian Greig (cc-by-sa/2.0)

The Cato Street Conspiracy – Eine fehlgeschlagene Verschwörung in London am 23. Februar 1820

Die Cato Street, von der Harrowby Street aus gesehen.
Photo © PAUL FARMER (cc-by-sa/2.0)

Die Cato Street im Londoner Stadtteil Marylebone ist eine schmale, ruhige Wohnstraße zwischen Crawford Place und Harrowby Street. Diese Straßen werden oft auch als Mews bezeichnet, im Erdgeschoss waren die Stallungen untergebracht, darüber befanden sich die Wohnungen (siehe dazu auch meinen Blogeintrag). Heute stehen statt der Pferde Autos in den Garagen. An der Hausnummer 1A der Cato Street ist eine blaue Plakette angebracht mit der Aufschrift „CATO STREET CONSPIRACY discovered here 23 February 1820„. Was hatte sich vor über 200 Jahren hier abgespielt?

Es handelte sich um die Verschwörung einer revolutionären Gruppe von Männern, die mit der politischen Lage und der wirtschaftlichen Depression der damaligen Zeit unzufrieden war und einen Umsturz der Regierung plante. Sie nannten sich The Spencean Philanthropists, nach dem radikalen Redner Thomas Spence (1750-1814). Die Männer trafen sich in der Cato Street und verabredeten sich hier am 22. Februar, um am Tag darauf, den Premierminister Lord Liverpool und das gesamte Kabinett, die sich am Grosvenor Square 44, der Wohnung von Lord Harrowby, Lord President of the Council, zu einem Abendessen treffen wollten, zu ermorden. Dass es nicht dazu kam, war einem der Mitverschwörer, George Edwards, zu verdanken, der die anderen hinterging und den Attentatsplan der Polizei, den damaligen Bow Street Runners, verriet, die daraufhin am 23. Februar das Haus in der Cato Street stürmten. Die meisten der Verschwörer wurden festgenommen, nur vier schafften es zu fliehen, aber auch die nahmen die Runners nach einigen Tagen in Gewahrsam. Es kam zu einem Prozess, bei dem die fünf Anführer zum Tode verurteilt wurden; sie wurden am 1. Mai 1820 im Newgate Prison gehängt. Nachdem der Tod eingetreten war, schlug man ihnen auch noch die Köpfe ab. Die meisten der nicht zum Tode verurteilten Verschwörer schaffte man ins Ausland.

Die Cato Street bekam 1827 einen neuen Namen, Horace Street, doch im 20. Jahrhundert erhielt sie ihren ursprünglichen Namen zurück. Der südliche Zugang zu der kleinen Straße erfolgt über die Harrowby Street, benannt nach dem Politiker, in dessen Wohnung die Verschwörer das Kabinett umbringen wollten.

Cato Street 1A mit blauer Plakette.
Photo © Marathon (cc-by-sa/2.0)

Published in: on 2. März 2023 at 02:00  Comments (1)  

Die Obscene Publications Squad – Eine ehemalige Spezialeinheit der Londoner Metropolitan Police

Die Obscene Publications Squad (OPS) ist laut Collins‘ Dictionnary „a division of the police force which deals with illegal books, pictures, or films which are judged obscene because they deal with sex or violence in a way that is considered offensive to the general public„. Gegründet wurde die Spezialeinheit Anfang der 1960er Jahre, um den Obscene Publications Act aus dem Jahr 1959 durchzusetzen. Die Einheit hatte bis 1995 Bestand, als sie in Paedophile and Child Pornography Unit umbenannt wurde, und sie sich ausschließlich mit Pädophilie und Kinderpornografie beschäftigte.

Michael Hames war fünf Jahre lang Chef dieser Squad und hat ein Buch darüber geschrieben „The Dirty Squad: The Inside Story of the Obscene Publications Branch by its former head Michael Hames„, erschienen im Jahr 2000 im Verlag Little, Brown.

Ende der 1960er und in den 1970er Jahren geriet die OPS in die Negativschlagzeilen als einige ihrer Mitglieder sich der Korruption schuldig machten, allen voran ihr Boss Detective Chief Superintendent William Moody. Wollte irgendjemand im Londoner Amüsierviertel Soho einen Sexshop aufmachen, in dem pornografisches Material angeboten werden sollte, musste der dem Polizeibeamten eine hohe Lizenz zahlen und auch ein monatliches Schutzgeld wurde erpresst. Dafür konnte er in Ruhe seine illegalen Schriften verkaufen und musste mit keiner Razzia rechnen. In einem Fall nahm Moody binnen sechzehn Monaten £53 000 ein. Allzu lange konnte das natürlich nicht gut gehen; eine Untersuchungskommission kam ihm auf die Spur, er wurde verhaftet, vor Gericht gestellt und zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.
Die BBC drehte eine Dokumentation über das Thema: „Bent Coppers: Crossing the Line of Duty„, hier zu sehen.

Unter der Ägide von Michael Hames wandte sich die OPS schließlich immer mehr dem Thema Kinderpornografie zu, die an Bedeutung stark zugenommen hatte und den Großteil ihrer Arbeit ausmachte. Sie wurde umstrukturiert und Paedophile and Child Pornography Unit genannt.

Published in: on 11. Februar 2023 at 02:00  Kommentar verfassen  

Jean Charles de Menezes (1978-2005) und sein Tod in der U-Bahnstation Stockwell im Süden Londons

Das Memorial vor der U-Bahnstation Stockwell.
Photo © Robin Sones (cc-by-sa/2.0)

Als sich am Morgen des 21. Juli 2005 der junge aus Brasilien stammende Elektriker Jean Charles de Menezes (er war britischer Staatsbürger) auf den Weg zur Arbeit machte, ging er wie immer zur U-Bahnstation Stockwell, die inmitten des Little Portugal genannten Stadtteils von Lambeth in London liegt. Dort leben besonders viele portugiesisch sprechende Menschen aus Portugal und Brasilien. Jean Charles betrat den Bahnsteig der Victoria Line und erreichte noch den Zug, der gerade eingefahren war. Kaum hatte er sich auf einen freien Platz gesetzt, als drei Männer auf ihn einstürmten, ihn festhielten, herauszerrten und insgesamt elf Mal mit einer Pistole auf ihn schossen, die meisten der Schüsse trafen den jungen Mann in den Kopf. Er war sofort tot. Bei den drei Männern handelte es sich um Polizisten der Metropolitan Police in Zivil, die Jean Charles irrtümlicherweise für einen Terroristen hielten. Am Tag zuvor hatte es in London Attentatsversuche gegeben, die aber alle gescheitert waren, zwei Wochen davor die blutigen Bombenanschläge, bei denen 52 Menschen ums Leben kamen und über 700 verletzt wurden. Die Polizei der Stadt war hochgradig nervös, suchte fieberhaft nach den Bombenlegern des Vortages, und da geriet der völlig unschuldige Jean Charles de Menezes ins Visier der Fahnder.

Der Fall wurde untersucht, es kam zu Verstimmungen zwischen Großbritannien und Brasilien, Scotland Yard gab ihren fatalen Fehler zu, die Polizisten wurden für ihren Einsatz in der U-Bahn nicht belangt. Die Einsatzleiterin Cressida Dick, die später von 2017 bis 2022 als erste Frau die Metropolitan Police leiten sollte, wurde damals nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern befördert.

Die Familie des erschossenen Mannes in Brasilien erhielt eine Abfindung von £100 000. Dier vierfache Summe erhielt der damalige Polizeichef Ian Blair als er drei Jahre nach der Tat zurücktrat.

Als Erinnerung an den tragischen Tod von Jean Charles Menezes wurde vor dem Eingang der Stockwell-U-Bahnstation ein Memorial errichtet mit einem Bild des jungen Mannes, darunter steht
Innocent. Jean Charles de Menezes, born Ganzaga MG Brazil, 07.01.1972. Shot dead here 22.07.2005. Sadly missed„.
Am 7. Januar 2010 wurde es enthüllt, an dem Tag wäre Jean Charles 38 Jahre alt geworden.

Der brasilianische Regisseur Henrique Goldman verfilmte die letzten Lebenswochen des Mannes unter dem Titel „Jean Charles„. Hier ist der Trailer zu sehen.

Der Bahnsteig der Victoria Line im U-Bahnhof Stockwell.
Photo © Oxyman (cc-by-sa/2.0)
Stockwell Underground Station.
Photo © Nigel Thompson (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 6. Oktober 2022 at 02:00  Kommentar verfassen  

Polstead in Suffolk und der Mord in der roten Scheune

Polsteads Village Sign.
Photo © Adrian S Pye (cc-by-sa/2.0)

Das Village Sign des Dorfes Polstead zeigt die Pfarrkirche St Mary’s, umrankt von zwei Kirschbäumen an denen Kirschen hängen, ein Hinweis, dass wir es hier mit einem Anbaugebiet dieser Frucht zu tun haben. Eine Sorte ist sogar nach dem Dorf benannt worden, die Polstead Black Cherry.

Ein Ereignis, das sich im Jahr 1827 in Polstead abgespielt hat, und das das ganze Land erschütterte, ist natürlich nicht auf dem Dorfschild verewigt worden: The Red Barn Murder, ein Fall, der in die Kriminalgeschichte eingegangen ist. Die 26-jährige Maria Marten wurde am 18. Mai 1827 von ihrem Liebhaber William Corder, der auch aus dem Ort stammte, erschossen. Beide hatten sich in der roten Scheune getroffen, weil sie dem Dorf entfliehen und nach Ipswich ziehen wollten. Corder begrub Maria in der Scheune und behauptete im Dorf, sie sei in Ipswich und wolle nicht zurückkommen. Marias Stiefmutter hatte mehrere Träume, in denen sie ihre Stieftochter tot in der roten Scheune sah. Sie insistierte, dass dort gegraben werden sollte, was dann auch geschah und Marias Leiche entdeckt wurde. Schnell fiel der Verdacht auf William Corder, der auch bald darauf in Brentford, in West-London verhaftet wurde. Im Gerichtsverfahren gegen ihn in Bury St Edmunds sprach man ihn schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Am 11. August 1828 wurde der Mann aus Polstead in Bury aufgehängt.

Das ist nur eine sehr kurze Zusammenfassung des Falls, der ganz Großbritannien in Aufregung versetzte und Nachwirkungen hatte, indem Lieder darüber komponiert, Theaterstücke geschrieben und Filme gedreht wurden. Tom Waits zum Beispiel sang den Song „Murder in the Red Barn„. Hier ist der gleichnamige Film aus dem Jahr 1935 mit Tod Slaughter in der Hauptrolle als William Corder.

Die rote Scheune in Polstead steht schon lange nicht mehr. Menschen aus ganz Großbritannien kamen hierher und nahmen sich „Andenken“ mit, indem sie Holzstücke aus der Scheune herausbrachen. Auch aus Marias Grabstein auf dem Kirchhof von St Mary’s wurden Steinstückchen herausgeschlagen, so dass man auf eine Erneuerung verzichtete und stattdessen eine hölzerne Gedenktafel an einen Schuppen neben der Kirche anbrachte.

Hier ist eine ausführliche Darstellung des Falles im Film.

Polstead war auch für viele Jahre Wohnort der Krimiautorin Ruth Rendell, die in einem alten Haus mit dem Namen Nussteads lebte. Sie starb im Jahr 2015 und wurde auf dem Kirchhof von St Bartholomew’s in Groton, nur ein paar Kilometer von Polstead entfernt, beigesetzt.

Das Buch zum Artikel:
Peter Maggs: Murder in the Red Barn: The Tragic Story of Maria Martin and William Corder. Mirli Books 2015. 240 Seiten. 978-0956287021
.

In diesem Haus in der Straße Polstead Hill wohnte die Familie Corder.
Photo © Keith Evans (cc-by-sa/2.0)
Marias Gedenktafel auf dem Kirchhof von St Mary’s.
Photo © Keith Evans (cc-by-sa/2.0)
St Mary’s.
Photo © Robin Webster (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 22. August 2022 at 02:00  Kommentar verfassen  

Der Mordfall Kitty Breaks am Heiligen Abend des Jahres 1919 in den Dünen von St Annes-on-the-Sea (Lancashire)

Die Dünen von St Annes in Lancashire.
Photo © Gerald England (cc-by-sa/2.0)

Die 26 Jahre alte Kitty Breaks galt als das hübscheste Mädchen in Bradford (West Yorkshire) als sie den ehemaligen Soldaten Frederick Rothwell Holt kennenlernte. Holt hatte als Offizier im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft und war schwer traumatisiert wieder nach Haus zurückgekommen. Sein Zuhause war der Küstenort St-Annes-on-Sea, südlich von Blackpool, heute Lytham St Annes genannt. Kitty und Frederick verliebten sich ineinander und wohnten eine Zeit lang zusammen.

In den Morgenstunden des 24. Dezember des Jahres 1919 fand ein Mann, der am Strand von St Annes Treibholz sammelte, die Leiche Kittys in den Sanddünen; sie war mehrere Male in den Kopf geschossen worden. Als die Polizei am Tatort ankam, fand sie bei ihr einen Brief, der von Frederick Rothwell Holt an sie geschrieben worden war, ein Paar Männerhandschuhe und einen Revolver. Selten war es der Polizei so leicht gemacht worden, den Mörder zu überführen. Nur wenige Stunden später nahm sie ihn im Clifton Hotel in Lytham fest; die Beweislage war eindeutig und Holt stritt die Tat auch nicht ab.

Es kam zur Gerichtsverhandlung in Manchester, bei der Holt zum Tod durch den Strang verurteilt wurde. Am 13. April 1920 kam es im Strangeways Prison in Manchester zur Vollstreckung des Urteils, ausgeführt durch den Henker John Ellis.

Was hatte Frederick Rothwell Holt veranlasst, seine hübsche Lebensgefährtin zu erschießen? Die allgemeine Meinung, und auch die des Gerichts, ging dahin, dass Holt Kitty Breaks‘ Lebensversicherung kassieren wollte, zu deren Abschluss er Kitty gedrängt hatte. Wahrscheinlich kam aber auch hinzu, dass der Ex-Soldat durch die Traumatisierung, die er im Krieg erlitten hatte, geisteskrank geworden war wie es dir Verteidigung bei der Gerichtsverhandlung vorgebracht hatte.

Es gibt Leute in Lytham St Annes, die die Gestalt der weinenden Kitty in den Dünen gesehen haben wollen, was die Band Phantom Voices aus Blackpool veranlasste, der jungen Frau 2018 ein musikalisches Denkmal zu setzen mit dem Song „Kitty Breaks„.

Das Clifton Arms Hotel in Lytham, in dem Kittys Mörder verhaftet wurde.
Photo © R lee (cc-by-sa/2.0)
Manchesters Strangeways Prison wie es heute aussieht.
Photo © Robert Wade (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 14. Juli 2022 at 02:00  Kommentar verfassen  

King’s Lynn in Norfolk – Geburtsstätte der ersten CCTV-Kameras im öffentlichen Raum

Hinweisschild auf Überwachungskameras (allerdings nicht aus King’s Lynn).
Photo © Jaggery (cc-by-sa/2.0)

Wir bleiben heute noch einmal in der Region der gestern vorgestellten Knochenmühle und begeben uns nach King’s Lynn in Norfolk.

Bei den CCTV-Kameras ist es wie mit dem Brotaufstrich Marmite, entweder man hasst sie oder man liebt sie. Großbritannien gehört weltweit zu den Ländern, die die meisten Closed-circuit Television-Kameras aufgestellt haben. Ist das jetzt „Big Brother is watching you“ pur oder stellen diese Kameras für die Bevölkerung tatsächlich einen Schutz dar. Da gehen die Meinungen auseinander, aber ich habe den Eindruck, dass sich die meisten UK-Bürger mittlerweile an sie gewöhnt und auch akzeptiert haben. Etwa siebzigmal pro Tag wird jeder Brite von einer Überwachungskamera erfasst, und es gibt von ihnen weit mehr als vier Millionen, das bedeutet, dass auf vierzehn Bürger eine Kamera entfällt.

Nachdem schon seit längerem Versuche mit dieser Art der visuellen Überwachung in Großbritannien vorgenommen worden waren, wurde 1985 in Bournemouth an der Südküste das erste CCTV-System außerhalb geschlossener Räume installiert, und zwei Jahre später war die Stadt King’s Lynn in der Grafschaft Norfolk Vorreiter für die Überwachung öffentlicher Räume, indem die Stadtverwaltung, erstmalig im Land, CCTV-Kameras aufstellte, um die Sicherheit ihrer Bewohner zu erhöhen und die Kriminalität einzudämmen. In dem Gewerbegebiet North Lynn Industrial Estate war die Zahl der Einbrüche und Diebstähle dramatisch angestiegen und durch die Überwachungskameras, nachdem es sich in den einschlägigen Kreisen herumgesprochen hatte, ebenso dramatisch wieder zurückgegangen. Der Einsatz der CCTV-Kameras wurde in King’s Lynn auf die Parkplätze der Stadt ausgeweitet, mit beachtlichen Erfolgsergebnissen, denn die Quote der Kraftfahrzeug-Kriminalität ging um 97% zurück. Als andere Städte im Königreich von der „Wunderwaffe“ CCTV im Kampf gegen die steigende Kriminalität im Land erfuhren, übernahmen sie das Modell aus King’s Lynn.

Noch heute spielt der Einsatz von Überwachungskameras in der Stadt in Norfolk eine große Rolle in der Verbrechensbekämpfung und Verbrechensprävention. Rund um die Uhr sind die Kontrollräume mit erfahrenen Männern und Frauen besetzt, die in den vergangenen zwölf Monaten mit über 4500 von den Kameras erfassten Zwischenfällen konfrontiert waren.

North Lynn Industrial Estate.
Photo © Andy Peacock (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 24. Juni 2022 at 02:00  Comments (3)  

Mein Buchtipp – Colin Sutton: Manhunt – How I Brought Serial Killer Levi Bellfield to Justice

Foto meines Exemplares.

Levi Bellfield war ein Londoner, der jede Menge Verbrechen auf dem Kerbholz hatte: Einbrüche, Autodiebstähle, Vergewaltigungen, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen; doch dann nahm seine Gewalttätigkeit Anfang der 2000er Jahre zu. Er ermordete die jungen Mädchen Milly Dowler, Marsha McDonnell und Amélie Delagrange. Die 18jährige Kate Sheedy überrollte er absichtlich mit seinem Auto, doch sie konnte die Attacke überleben.

Detective Chief Inspector Colin Sutton von der Metropolitan Police und sein Team wurden auf die Mordfälle angesetzt, bei denen es keine Augenzeugen gab und die sehr schwer zu lösen waren. Es gab aber verschwommene Filmaufnahmen von den in London allgegenwärtigen Überwachungskameras von verdächtigen Fahrzeugen, die in außerordentlich mühsamer Kleinarbeit identifiziert werden konnten. Mithilfe von Funkmasten konnte ein Bewegungsprofil von Levi Bellfield aufgestellt werden, dessen Mobiltelefon sich automatisch in die jeweiligen Funkbereiche einloggte. Diese Bewegungsprofile deckten sich mit den Tatorten, an denen die Mädchen ermordet wurden.

Erst nach mehren Jahren kam es zum Prozess, die Ermittlungen dauerten so lange, bei dem Bellfield zu lebenslangem Gefängnis verurteilt wurde (der Fall Milly Dowler wurde separat später verhandelt, weil er sich in der Grafschaft Surrey ereignet hatte).

Der leitende Detective Colin Sutton hat über die Ermittlungen ein Buch geschrieben: “ Manhunt – How I Brought Serial Killer Levi Bellfield to Justice„, in dem er sehr detailliert beschreibt wie er den Serienmörder zur Strecke gebracht hat. Bevor Sutton in den Ruhestand ging, löste er einen weiteren Aufsehen erregenden Londoner Kriminalfall, den des Serienvergewaltigers Delroy Grant, auch The Night Stalker genannt (Sutton schrieb darüber das Buch „Manhunt – The Night Stalker„)

Die Fälle Bellfield und Grant wurden für den Sender ITV verfilmt, mit Martin Clunes (den wir aus der TV-Serie „Doc Martin“ kennen) in der Rolle von DCI Sutton.
Hier ist eine Dokumentation über die Morde des Levi Bellfield, in dem auch Colin Sutton zu Wort kommt.

Milly Dowler wurde zuletzt gesehen als sie den Bahnhof von Walton-on-Thames in Surrey verließ, sechs Monate später wurde sie im Yateley Heath Wood zwischen Reading und Guildford tot aufgefunden.

Marsha McDonnell wurde nachts an einer Bushaltestelle in der Percy Road im Westen Londons, in Hampton, attackiert und brutal erschlagen.

Die 22jährige französische Studentin Amélie Delagrange fand man, ebenfalls erschlagen, auf dem Twickenham Green.

Colin Sutton: Manhunt – How I Brought Serial Killer Levi Bellfield to Justice. John Blake Publishing 2018. 322 Seite. ISBN 978-1-78606-571-1.

Der Bahnhof von Walton-on-Thames in Surrey.
Photo © David Howard (cc-by-sa/2.0)
Die Percy Road in Hampton.
Photo © David Howard (cc-by-sa/2.0)
Twickenham Green.
Photo © Stephen Williams (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 15. April 2022 at 02:00  Comments (1)  

Mein Buchtipp – David Videcette: Finding Suzy

Foto meines Exemplares.

Am 28. Juli 1986 verließ die junge Immobilienmaklerin Suzy Lamplugh ihr Büro im Londoner Stadtteil Fulham, um angeblich einem Klienten, einem Mr Kipper, eine Wohnung in der Shorrolds Road zu zeigen. Seitdem ist sie spurlos verschwunden. Der Metropolitan Police gelang es nicht, irgendeine Spur von Suzy zu finden, geschweige denn ihren Entführer/Mörder ausfindig zu machen. Der Fall wurde als ungelöst zu den Akten gelegt, einige Male wieder neu aufgerollt, und schließlich machte die Polizei einen bereits wegen Vergewaltigung und Mordes verurteilten Mann ausfindig, der ihrer Meinung nach auch für Suzys Verschwinden verantwortlich war.

Dem ehemaligen Scotland Yard-Detektiv und Autor von Kriminalromanen David Videcette ließ der Fall Suzy Lamplugh keine Ruhe. Er machte sich auf eigene Faust auf die Suche nach der Lösung des mysteriösen Falles und schrieb ein Buch darüber: „Finding Suzy: The Hunt for Missing Estate Agent Suzy Lamplugh and „Mr Kipper“„. Dreißig Jahre nach dem Verschwinden der Frau noch neue Anhaltspunkte zu finden, scheint kaum möglich, doch David Videcette gelingt es tatsächlich, neue Spuren in dem Fall ausfindig zu machen, die in eine ganz andere Richtung führen, als die der Polizei. Dabei steht ein Pub im Fokus der Ermittlungen des Detektivs, der Prince of Wales in der Upper Richmond Road im Stadtteil Putney. Hier scheinen sich die Spuren der Immobilienmaklerin zu verlieren.

David Videcette hat zigtausend Meilen mit dem Auto zurückgelegt, um Zeugen erneut zu befragen; er hatte sich in den Fall regelrecht verbissen. Im letzten Kapitel seines Buches rekonstruiert er wie es damals am 28. Juli 1986 zugegangen sein muss, nennt den mutmaßlichen Mörder zwar nicht beim Namen, aber es ist eindeutig, wen er meint. Und er ist auch sicher, wo die Leiche Suzys abgelegt worden ist, in den höhlenartigen, verschachtelten Kellerräumen des Pubs. David Videcette hat seine gesammelten Informationen der Polizei übergeben, doch die will diese Spuren nicht verfolgen.
Hier ist ein Film über den Fall, der auch in „Crimewatch“ rekonstruiert wurde.

Manchem mag das Buch vielleicht zu detailliert sein, ich fand es sehr spannend und hochinteressant!

David Videcette: Finding Suzy: The Hunt for Missing Estate Agent Suzy Lamplugh and „Mr Kipper“. Videcette Limited 2021. 347 Seiten. ISBN 978-0-9934263-8-4.

Die Shorrolds Road in Fulham.
Photo © Oast House Archive (cc-by-sa/2.0)
Der Prince of Wales Pub im Londoner Stadtteil Putney.
Photo © Robin Webster (cc-by-sa/2.0)

Robert Fabian (1901-1978) – Einer der fähigsten Detektive von Scotland Yard und eine TV-Fernsehserie

Das ehemalige Hauptquartier der Metropolitan Police (1890-1967), in dem Robert Fabian seiner Arbeit nachging.
Photo © Anthony O’Neil (cc-by-sa/2.0)

Er hatte in England einen legendären Ruf: Robert Fabian von Scotland Yard, der zahllose schwierige Fälle in seiner Laufbahn löste. Geboren wurde er 1901 im Südosten Londons, im Stadtteil Lewisham, 1921 trat er in die Londoner Polizei ein. Während er für Scotland Yard arbeitete, hatte er sich auf Mordfälle spezialisiert. Manchmal wurde er auch von Polizeibehörden in der Provinz zu Hilfe gerufen, wenn diese bei den Ermittlungen nicht weiterkamen. An einem sehr mysteriösen Mordfall biss auch er sich die Zähne aus, an dem sogenannten Witchcraft Murder in Lower Quinton in Warwickshire, den ich in meinem Blog vor einigen Jahren vorstellte.

Robert Fabian berichtete über sein ereignisreiches Leben in zwei Büchern: „Fabian of the Yard“ (1950) und „London After Dark“ (1954). Im Alter von 77 Jahren starb er 1978 in der Stadt der Pferderennen, in Epsom (Surrey).

Die BBC nahm sich Robert Fabian an, in dem sie von 1954 bis 1956 die TV-Serie „Fabian of the Yard“ produzierte, die 36 Episoden umfasste und die auf Fällen basierte, in die der Polizeibeamte involviert war. Das Besondere an der Serie war, dass Robert Fabian selbst am Schluss jeder Episode einige kurze Worte sprach. Die Rolle des Scotland Yard-Polizisten (der es bis zum Rang eines Detective Superintendent brachte) spielte Bruce Seton (1909-1969). Dank Youtube kann man sich noch heute einige dieser alten Folgen ansehen. Ich empfehle „Brides of the Fire„. Im deutschen Fernsehen wurden in den 1960er Jahren eine Handvoll Folgen in synchronisierter Fassung gezeigt.

Published in: on 22. März 2022 at 02:00  Kommentar verfassen  

Mein Buchtipp – Jon Clarke: My Search for Madeleine

Foto meines Exemplares.

Vor elf Jahren stellte ich in meinem Blog das Buch „Madeleine“ von Kate McCann vor, in dem sie über den Entführungsfall ihrer Tochter schrieb, die am 3. Mai 2007 aus einer Ferienwohnung im portugiesischen Praia da Luz entführt wurde und bis heute verschwunden ist.

Einer der britischen Journalisten, der sich in diesen Fall regelrecht verbissen hat, ist Jon Clarke, der vom ersten Tag an auf eigene Faust Ermittlungen durchgeführt und darüber ein Buch geschrieben hat: „My Search for Madeleine: One Reporter’s 14-Year Hunt to Solve Europe’s Most Harrowing Crime„. Jon Clarke hat den Schauplatz des Verbrechens und große Teile der portugiesischen Algarve viele Male aufgesucht und mit vielen Menschen gesprochen, die sich dort angesiedelt haben, darunter zwielichtige Gestalten, die der Drogen- und Pädophilenszene zuzurechnen sind.

Clarke macht der portugiesischen Justiz schwere Vorwürfe und wirft ihr Inkompetenz bei der Bearbeitung des Falles Madeleine McCann vor. Nach mittlerweile fast 15 Jahren nach dem Verschwinden des kleinen Mädchens kommt Jon Clarke zum Schluss, dass der mutmaßliche Täter ein Deutscher ist, der lange Zeit in Portugal lebte und zum Zeitpunkt der Entführung in unmittelbarer Nähe des Apartments der McCanns war. Er ist schon mehrfach wegen Drogendelikten, Vergewaltigung und anderen Vergehen verurteilt worden, war tief in Kinderpornografie verstrickt und sitzt zur Zeit in Oldenburg im Gefängnis. Ein weiteres Verfahren wegen Vergewaltigung steht noch an.

Es ist erschreckend was Jon Clarke, speziell in Portugal, alles ausgegraben hat, diese Region Europas scheint ein Paradies für Kinderschänder zu sein, die Polizei schaut weg oder ist desinteressiert.

Ob es jemals zu einer Anklage wegen Mordes im Falle Madeleine McCann geben wird ist fraglich. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, die in Deutschland federführend ist, geht von einem Mordfall, nicht mehr von einem Entführungsfall, aus ohne das aber belegen zu wollen.

Jon Clarke: My Search for Madeleine. OP Books 2021. 273 S. ‎ISBN 979-8538010547.

Praia da Luz an der portugiesischen Algarveküste.
Photo: Bengt Nyman.
Creative Commons 4.0

39 Hilldrop Crescent – Ein Haus in London, in dem Dr Crippen seine Frau ermordete

Am 4. März 2018 stellte ich in meinem Blog das Buch „Murder Houses of London“ von Jan Bondeson vor, in dem der Autor über Londoner Häuser, in denen Morde begangen wurden, schrieb. Eines davon stand im Stadtteil Holloway und hatte die Adresse 39 Hilldrop Crescent. Hier wohnte eine Zeit lang der amerikanische Arzt Dr Hawley Crippen (1862-1910), der in die britische Kriminalgeschichte einging, weil er in diesem Haus seine Ehefrau Cora Belle umbrachte und mit seiner Geliebten, Ethel le Neve, nach Kanada flüchtete, wo die beiden aber schon ein Londoner Detective erwartete und sie zurück nach England brachte. Dr Crippen wurde im Old Bailey vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Im November 1910 beförderte der Henker John Ellis im Pentonville Prison in London den Mann ins Jenseits. Nach Dr Crippens Tod kamen Zweifel auf, ob der Mord wirklich so abgelaufen ist, aber darum soll es in meinem Blog nicht gehen, sondern darum, was aus dem Mordhaus geworden ist.

39 Hilldrop Crescent wurde von dem schottischen Comedian Sandy McNab gekauft, der keine Berührungsängste hatte, sich aber freute, das Haus zu einem Spottpreis kaufen zu können, weil es schwer vermittelbar war. McNab plante, ein Museum darin einzurichten mit Crippen-Memorabilia, doch daraus wurde nichts. Stattdessen betrieb McNab eine Pension in dem Haus in Holloway. Bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg erlitt 39 Hilldrop Crescent so schwere Schäden, dass es abgerissen werden musste.

Heute steht auf dem Gelände des ehemaligen Mordhauses ein Wohnhaus, das den Namen Margaret Bondfield House trägt und nach Margaret Grace Bondfield (1873-1953) benannt worden ist, der ersten weiblichen Unterhausabgeordneten der Labour Party und ersten Ministerin Großbritanniens, in der Regierung von Premierminister Ramsay MacDonald; Bondfield fungierte als Arbeitsministerin. Das Haus steht heute in der Driffield Road.

Nach Aussagen einiger Bewohner des Hauses soll es dort spuken; eigenartige Geräusche sind vernommen und eine unheimliche Gestalt gesichtet worden. Geht Dr Crippen in dem Haus noch immer um?

Published in: on 5. Dezember 2021 at 02:00  Comments (1)  

Famous Graves – Montague John Druitts Grabmal auf dem Wimborne Cemetery in Dorset

Author: Stoutcob.
Creative Commons 2.0

Wie viele Verdächtige hat es wohl schon in dem berühmten Fall des Londone Serienmörders Jack the Ripper gegeben? Da wurde unter vielen anderen jemand genannt, der eng mit dem Königshaus verbunden war, ein Maler, Walter Sickert, den die US-amerikanische Schriftstellerin Patricia Cornwell definitiv als Jack the Ripper zu entlarven meinte und ein gewisser Montague John Druitt, den Assistant Chief Constable Sir Melville Macnaghten von der Londoner Metropolitan Police als Hauptverdächtigen einstufte.

Montague John Druitt lebte von 1857 bis 1888, studierte am New College in Oxford, war Rechtsanwalt und unterrichtete an der Londoner Blackheath School und war ein ausgezeichneter Cricketspieler. Seine Mutter und seine Großmutter waren geisteskrank, und Druitt machte sich auch selbst Sorgen über seine mentale Stabilität. Kurz nach dem Tod des letzten Ripperopfers kursierten Gerüchte, dass der Arztsohn etwas mit den Morden zu tun haben könnte, und als im Dezember 1888 seine Leiche in der Themse treibend gefunden wurde, er hatte sich das Leben genommen, und die Mordserie aufhörte, nahmen die Verdachtsmomente zu. Doch ob Druitt nun wirklich der Ripper war, konnte nie bewiesen werden, er nahm das Geheimnis mit in sein Grab (selbst seine Familie, so heißt es, soll ihn für den Serienmörder gehalten haben).

Dieses Grab ist auf dem Friedhof von Wimborne in der Grafschaft Dorset zu finden, in der Stadt, in der er auch geboren wurde. In Sektion 8 des Wimborne Cemetery erinnert ein weißes Marmorkreuz an den Mann. Die Inschrift nennt nur sein Todesdatum, den 4. Dezember 1888, und dass er 31 Jahre alt geworden war.

Hier ist ein Film über den Ripper-Verdächtigen.

Montague John Druitt.
This file is in the public domain.

Published in: on 5. November 2021 at 02:00  Kommentar verfassen  

The Knife Angel – Eine beeindruckende Skulptur, die auf die steigende Messerkriminalität aufmerksam macht

The Knife Angel vor der Kathedrale von Chester.
Photo © John S Turner (cc-by-sa/2.0)

Immer wieder liest und hört man von Verbrechen in London, bei denen Messer im Einsatz waren. Die steigende Messer-Kriminalität macht den Bewohnern der Stadt zunehmend Sorge. Doch auch außerhalb der Hauptstadt werden immer häufiger Messer verwendet, mit der Folge, dass Menschen schwer verletzt oder getötet werden.

Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen entstand im Jahr 2018 das National Monument Against Violence & Aggression, kurz The Knife Angel genannt. Geschaffen wurde der „Messerengel“ von dem Londoner Künstler Alfie Bradley, in Zusammenarbeit mit dem British Ironworks Centre in Oswestry in Shropshire. Alfie Bradley hat sich einen Namen gemacht durch seine ungewöhnlichen Kunstwerke wie dem Spoon Gorilla, der aus 40 000 Löffeln besteht, und der für den Löffelverbieger Uri Geller hergestellt wurde.

Für seinen fast neun Meter hohen Knife Angel verwendete Alfie Bradley 100 000 Messer, die der Polizei bei einer Kampagne anonym übergeben werden konnten, beziehungsweise, die bei Verbrechen im Einsatz gewesen waren und die die Polizei beschlagnahmt hatte. Auf vielen dieser Messer waren sogar noch Blutspuren zu sehen. Angehörige von Opfern von Messerattacken bekamen die Gelegenheit, Botschaften auf die Schneiden gravieren zu lassen, wovon einige auch Gebrauch machten.

Die in Oswestry angelieferten Messer wurden auf einen Stahlrahmen und auf Stahlplatten geschweißt, mit dem Effekt, dass die Figur wie ein gefiederter Engel aussieht. Nach der Fertigstellung wurde der Knife Angel vor der Kathedrale von Derby feierlich aus der Taufe gehoben (hier im Film zu sehen) und begann bald darauf seine „Tournee“ durch das ganze Land. Liverpool und die Anglican Cathedral war die erste Station, es folgten Hull, Coventry und Birmingham. Ab heute steht die Skulptur bis zum 29. November in Blackburn in Lancashire.

Photo © John S Turner (cc-by-sa/2.0)
In Gateshead (Tyne and Wear).
Photo © Les Hull (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 4. November 2021 at 02:00  Comments (2)  

Mary Ann Cotton (1832-1873) – Englands erste weibliche Serienmörderin

Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Geboren wurde Mary Ann Cotton im Jahr 1832 in Low Moorsley (Tyne and Wear) bei Sunderland, einem Dörfchen, über das die Wikipedia als einziges zu berichten weiß, dass es der Geburtsort einer Serienmörderin ist. Mary Ann Cotton ging in die englische Kriminalgeschichte ein als erste weibliche Serienmörderin; hätte es damals schon das Guinness Buch der Rekorde gegeben, wäre ihr ein Eintrag sicher gewesen als die Frau, die die meisten Menschen ins Jenseits befördert hat; 21 sollen es gewesen sein, möglicherweise auch mehr, die meisten davon aus ihrem engsten familiären Umfeld.

Mary Ann Cotton wohnte in West Auckland im County Durham, einem Ort mit etwa 8500 Einwohnern, wo heute die A68 und die A688 zusammentreffen, zuerst in 20 Johnson Terrace (das Haus existiert nicht mehr, es wurde abgerissen), dann in der Front Street (dieses Haus gibt es noch).

Nachdem Mary Ann schon in jungen Jahren geheiratet und viele Kinder in die Welt gesetzt hatte, starben unerklärlicherweise elf ihrer dreizehn Kinder, dazu noch ihre Ehemänner und ihr Geliebter. Mary Ann kassierte dabei immer wieder Summen aus abgeschlossenen Lebensversicherungen. Es dauerte ziemlich lange bis schließlich einem gewissen Thomas Riley der Verdacht aufkam, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Als Charles Edward Cotton, der letzte noch verbliebene der Cotton-Familie starb, ging Riley zur Polizei und äußerte seinen Verdacht. Der bereits beerdigte Charles wurde exhumiert, in seinem Magen fand man Arsen, daraufhin wurde Mary Ann in Durham vor Gericht gestellt, Die Geschworenen benötigten für ihre Beratungen nicht viel Zeit und fanden sie des Mordes schuldig; der Richter verurteilte sie zum Tode. Am 23. März 1873 starb die Serienmörderin im Gefängnis von Durham durch Erhängen.

Bei all den anderen Morden, die Mary Ann begangen hatte, soll immer Arsen eine Rolle gespielt haben.

Unter dem Titel „Dark Angel“ verfilmte ITV den Fall im Jahr 2015 (liegt auch auf DVD vor), die Rolle der Mary Ann Cotton spielte Joanne Froggatt, allen „Downton Abbey“-Fans als Lady Marys Zofe Anna bekannt. Gedreht wurde der Film in großen Teilen in North Yorkshire. Hier sind einige Ausschnitte zu sehen.

Das Buch zum Artikel:
Martin Connolly: Mary Ann Cotton – Dark Angel: Britain’s First Female Serial Killer. Pen&Sword Books 2016. 186 Seiten. ISBN 978-1473876200
.

Low Moorsley, Geburtsort der Mary Ann Cotton.
Photo © Robert Graham (cc-by-sa/2.0)
Die Front Street in West Auckland.
Photo © Alan Murray-Rust (cc-by-sa/2.0)
Published in: on 25. September 2021 at 02:00  Kommentar verfassen  

Jack the Stripper – Ein Londoner Serienmörder, der nie gefasst werden konnte

Hier, in der Nähe der Hammersmith Bridge, begann die Mordserie.
Author: Meg Moggington.
Creative Commons 2.0

1888 trieb Jack the Ripper sein Unwesen im Londoner Osten. Fünf Morde gingen auf sein Konto, dann hörte man nie wieder etwas von ihm und er konnte nicht gefasst werden.

Eine ähnliche Mordserie ereignete sich 1964/65, wieder in London. Mindestens sechs Prostituierte (Hannah Tailford, Irene Lockwood, Helen Barthelemy, Mary Flemming, Frances Brown, Bridget O’Hara) fielen einem Serienmörder zum Opfer, dem man den Namen Jack the Stripper gab, da er alle Frauen nach der Ermordung unbekleidet zurückließ. Diese sogenannten „Hammersmith Murders“ fielen in den Zuständigkeitsbereich von Scotland Yards Chief Superintendent John Du Rose, der mit sehr großem Aufwand versuchte, den Täter zur Strecke zu bringen. Über 7000 Interviews mit Verdächtigen wurden geführt, man hatte auch einige heiße Spuren, aber man konnte den Frauenmörder einfach nicht fassen. Die Morde hörten auf. Wieder ein Fall, der in den Annalen der Londoner Polizei als ungelöst geführt wird. Hier ist eine Filmdokumentation über Jack the Stripper.

Wie auch im Fall von Jack the Ripper gab es bei seinem Fast-Namensvetter viele Spekulationen, die sich auch in der Literatur niederschlugen. Das Buch „Goodbye Piccadilly, Farewell Leicester Square“ aus dem Jahr 1969 von Arthur La Bern basiert auf den Mordfällen; Alfred Hitchcock verfilmte das Buch 1972 unter dem Titel „Frenzy„. Auch die Londoner Journalistin Cathi Unsworth nahm sich in ihrem Krimi „Bad Penny Blues“ den ungelösten Jack the Stripper-Morden an.
Chief Superintendent John Du Rose, den es sicher sehr geärgert hat, dass er den Fall nicht lösen konnte (er wurde „Four Day Johnny“ genannt, weil er seine Fälle so schnell löste), schrieb über die Hammersmith-Morde in seinen Memoiren „Murder Was My Business„, die 1973 erschienen. Auch „Found Naked and Dead“ (1974) von Brian McConnell versucht, etwas Licht in die mysteriösen Prostituiertenmorde zu bringen.

Das Buch zum Artikel:
Neil Milkins: Who Was Jack the Stripper? – The Hammersmith Nudes‘ Murders. Rose Heyworth Press 2011. 152 Seiten. ISBN 978-0956851208.

Published in: on 20. August 2021 at 02:01  Kommentar verfassen  
Tags:

Norman Pilcher – Ein Londoner Polizeibeamter, der es in den Swinging Sixties auf Rockstars abgesehen hatte

34 Montague Square in London.
Author: Spudgun67
This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

Vor wenigen Tagen erschien ein Buch mit dem Titel „Bent Coppers: The Story of the Man Who Arrested John Lennon, George Harrison and Brian Jones“ (Clink Street Publishing), geschrieben von Norman Pilcher (meines Wissens nicht verwandt oder verschwägert mit Rosemary Pilcher). Wer ist dieser Mann, der sich da mit korrupten Polizisten beschäftigt?

Norman Pilcher, 1935 geboren, war Beamter der Londoner Polizei, und sein Einsatzgebiet war die Drogenfahndung. In den Swinging Sixties waren Drogen sehr angesagt, und die Stars der Musikszene in der damaligen Zeit waren keine Drogenverächter. Einer der sich mit Wonne auf die Spur der prominenten Konsumenten machte, war jener Norman „Nobby“ Pilcher. Ihm muss es ein Vergnügen gewesen sein, jene Männer zu jagen, denen scharenweise kreischwütige junge Mädchen zu Füßen lagen: Die Beatles, die Rolling Stones und viele andere Rockstars. Die Mittel, die er dazu anwandte, schienen bedenklich gewesen zu sein. Immer wieder wurde Norman Pilcher unterstellt, dass er seinen Opfern Drogen unterschob, um sie verhaften zu können, wogegen er sich natürlich wehrte, aber was die Beschuldigten stets behaupteten.

Durch die Medien ging Norman Pilchers Auftritt im Oktober 1968 als er an der Haustür von Montague Square Nummer 34 klingelte, dort wo John Lennon und Yoko Ono (und vor ihnen Ringo Starr und Jimi Hendrix) wohnten. Der Polizist gab sich als Briefträger aus, und als die Tür von der nackten Yoko Ono geöffnet wurde, John Lennon hatte ebenfalls nichts an, stellte Pilcher die (dumme) Frage, ob sie Drogen in ihrem Besitz hätten, worauf er selbstverständlich als Antwort ein „Nein“ der beiden Unbekleideten erhielt. Pilcher zeigte ihnen seinen Durchsuchungsbefehl, und es dauerte nicht lange bis er Cannabis in der Wohnung entdeckte. Also musste Mr Lennon mit auf die Wache, wo er den Besitz von Drogen zugab. Er erhielt eine Geldstrafe und alle waren zufrieden.

Weitere Rockstars, die Norman Pilcher zur Strecke brachte, waren Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones von den Rolling Stones, Beatle George Harrison, Dusty Springfield und um ein Haar Eric Clapton, der sich nur durch die Flucht durch den Hintereingang des Nachtclubs The Pheasantry in der Londoner King’s Road retten konnte.

1973 wurde der Polizeibeamte wegen Meineids und Justizbehinderung zu vier Jahren Gefängnis verurteilt; schon vorher hatte er seinen Dienst quittiert. Jetzt, im Alter von 84 Jahren, schildert Norman Pilcher in seinem Buch sein Leben und seine Karriere bei der Londoner Polizei aus eigener Sicht.

Die US-Band Primus nahm 2003 einen Song auf, in dem Norman Pilcher im Mittelpunkt steht und der „Pilcher’s Squad“ heißt. Im Text geht die Band auch auf den Lennon/Ono-Zwischenfall am Montague Square ein, und da heißt es „When Pilcher arrived and made his inspection The hashish magically appeared“.

The Pheasantry, 152 King’s Road, London. Hier entkam Eric Clapton den Fängen Norman Pilchers.
Author: Spudgun 67
Creative Commons 2.0

Published in: on 16. Oktober 2020 at 02:00  Kommentar verfassen  
Tags:

South Hill Park in Hampstead – Schauplatz von Mordfällen, die in die englische Kriminalgeschichte eingegangen sind

South Hill Park ist eine Straße im Londoner Stadtteil Hampstead, die sich am südlichen Rand der großen Parkanlage Hampstead Heath entlangzieht. Es handelt sich hier um eine ruhige Wohngegend mit einigen hübschen Häusern, und nichts deutet darauf hin, dass South Hill Park in den 1950er Jahren zweimal durch spektakuläre Mordfälle im Fokus stand, die in die die englische Kriminalgeschichte eingegangen sind.

Über den Mordfall Ruth Ellis, die am 10. April 1955 ihren Liebhaber David Blakeley vor dem Magdala Pub erschoss und als letzte Frau in England die Todesstrafe erhielt, habe ich in meinem Blog vor längerer Zeit geschrieben. The Magdala mit der Hausnummer 2a South Hill Park wurde 2016 geschlossen. Zum momentanen Zeitpunkt steht das Erdgeschoss der Nummer 2a leer und wird für Geschäftsräume zur Miete angeboten.

Nur ein paar Schritte weiter, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in der Nummer 11, ereignete sich ein Jahr vorher, am 29. Juli 1954, ein weiterer Mord. Die 54-jährige, aus dem griechischen Teil Zyperns stammende Styllou Christofi ermordete in dem Haus ihre Schwiegertochter Hella, eine gebürtige Deutsche. Beide kamen miteinander nicht klar, da Hella, nach Meinung von Styllou, bei der Erziehung ihrer Kinder nicht genügend Wert auf griechische Elemente legte, sondern sie wie Engländer aufzog. Die Zypriotin erschlug ihre Schwiegertochter, erwürgte sie und versuchte anschließend, die Leiche im Garten zu verbrennen, was nicht ganz funktionierte; dafür geriet der Brand außer Kontrolle, so dass die Feuerwehr und die Polizei gerufen werden mussten. Styllou versuchte sich zwar aus der Sache herauszureden, doch die Beweise waren überwältigend. Sie wurde des Mordes angeklagt, im Old Bailey vor Gericht gestellt und zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Hinrichtung nahm der berühmte Henker Albert Pierrepoint im Holloway Gefängnis vor.

Styllou Christofi war die vorletzte Frau, die in einem englischen Gefängnis hingerichtet wurde. Ein merkwürdiger Zufall, dass die beiden letzten in England zum Tode verurteilten Frauen mit der ruhigen Straßen im Hampstead in Zusammenhang standen.

Der ehemalige Magdala Pub.
Photo © Kate Jewell (cc-by-sa/2.0)

South Hill Park.
Photo © Kate Jewell (cc-by-sa/2.0)

Published in: on 19. Juni 2020 at 02:00  Comments (2)  
Tags: ,

St Matthew’s in Bethnal Green (London) – Die „Unterwelt-Kirche“

St Matthew’s im Londoner East End, im Stadtteil Bethnal Green, steht in einer kleinen Parkanlage an der Straße St Matthew’s Row. Die ursprüngliche Kirche wurde in den Jahren 1743-46 gebaut und von dem Architekten George Dance the Elder entworfen. Zweimal erlitt St Matthew’s schwere Schäden, einmal 1859 durch eine Feuersbrunst und dann im Zweiten Weltkrieg durch abgeworfene Brandbomben. 1961 war die Kirche wieder soweit hergestellt, dass Gottesdienste abgehalten werden konnten.

Bethnal Green ist ein Teil von London, in dem Gangsterbanden zuhause waren, und der Ruf des Stadtteils war nicht der beste. Einer der ersten Gangsterbosse von Bethnal Green war Joseph Merceron (1764-1839), eigentlich ein einflussreicher Geschäftsmann, der aber korrupt und betrügerisch war. Als er 1839 starb, fand seine von 30 000 Menschen besuchte Begräbnisfeier in St Matthew’s statt. Von da an sollten sich noch weitere Gangster diese Kirche für ihre Trauerfeiern aussuchen.

Die berühmtesten aller Gangster Londons waren die Kray-Zwillinge Ronnie (1933-1995) und Reggie (1933-2000), die ein strenges Regiment im East End führten. Ihre Gang, „The Firm“, mordete, raubte, legte Brände und erpresste Schutzgelder. Die beiden Zwillings-Gangsterbosse verkehrten in der besten Londoner Gesellschaft und waren auch mit Frank Sinatra und Judy Garland befreundet. Am 8. Mai 1968 wurden beide verhaftet und ein Jahr später zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Als erster starb Ronnie Kray im Jahr 1995 und seine Trauerfeier in St Matthew’s war eine grandiose Angelegenheit, die größte Trauerfeier seit Winston Churchill zu Grabe getragen worden war. Die Sargträger waren vier Unterweltgrößen, darunter auch Charlie Kray, ein Bruder der Zwillinge. Reggie durfte an der Feier teilnehmen, war aber mit Handschellen an eine Polizistin gekettet. Hier sind Bilder von der Trauerfeier.

Charlie Kray starb am 4. April 2000 und auch sein „funeral“ fand in St Matthew’s statt wie das seines Bruders Reggie, der ein halbes Jahr später starb und dessen Trauerzug von Tausenden von Menschen besucht wurde (hier ist ein Film darüber). Es ist schon erstaunlich, dass notorische Verbrecher in der Bevölkerung so viel Bewunderung erfahren konnten.

Es sollte noch eine weitere Gangster-Trauerfeier in St Matthew’s geben, die von Tony Lambrianou, einem engen Vertrauten der Kray Twins, der im März 2004 das Zeitliche segnete. Dieser Film zeigt den Trauerzug.

Im Inneren von St Matthew’s.
Photo © John Salmon (cc-by-sa/2.0)

Published in: on 11. Dezember 2019 at 02:00  Comments (2)  
Tags: ,

The Whitechapel Society 1888 – Eine Gesellschaft in London, die noch immer den Spuren von Jack the Ripper nachgeht

In diesem Pub in der Londoner City kommen die Mitglieder der Gesellschaft regelmäßig zusammen.
Photo © Basher Eyre (cc-by-sa/2.0)

Es gibt wohl keinen Serienmörder, der bis heute so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat wie Jack the Ripper, der im Jahr 1888 im Londoner East End mindestens fünf Frauen auf bestialische Weise ermordet hat. Wahrscheinlich ist der Grund dafür, dass ihn Scotland Yard nie fassen konnte und dadurch Spekulationen über den wahren Täter immer wieder ins Kraut schossen.

Jede Menge Bücher sind über Jack the Ripper geschrieben worden, das Thema wurde mehrfach verfilmt (zum Beispiel mit Michael Caine in einem TV-Zweiteiler aus dem Jahr 1988, hier zu sehen), Theaterstücke und Musicals entstanden im Laufe der Zeit (hier ein Beispiel mit den Trimley Saints Players aus Suffolk) und Songs sind über den Mörder geschrieben worden (wie dieser von Screaming Lord Sutch). Der Cloak and Dagger Club entstand, in dem sich die sogenannten Ripperologen zusammenfanden und der 1995 in die Whitechapel Society 1888 überging, “ a historical society that promotes the study of the Whitechapel murders and the social impact that this event had on the East End of London at that time“.
Die Mitglieder dieser Gesellschaft treffen sich regelmäßig alle zwei Monate an dem jeweils ersten Samstag im Pub The Crutched Friar, in einer Straße, die ebenfalls Crutched Friars heißt und in der City of London liegt (Gäste sind willkommen).

Die Whitechapel Society 1888, die sich nach dem Londoner Stadtteil benannt hat, in dem Jack the Ripper seine Morde verübt hat, organisiert Vorträge, Rundgänge und gibt eine Zeitschrift heraus The Whitechapel Society Journal; darin erscheinen beispielsweise Artikel zu Themen wie „How did „Long Liz“ die?“ (gemeint ist eines der Ripper-Opfer Elizabeth Stride) oder „Sergeant William Thick“, der mit den Morden in Whitechapel befasst war.

Im Shop der Gesellschaft kann man Bücher kaufen, die von ihr herausgegeben worden sind wie „Jack the Ripper -The Suspects“ oder „The Little Book of Jack the Ripper„.

Zum Schluss ist hier noch ein interessanter Film zum Thema zu sehen.

Published in: on 27. September 2019 at 02:00  Kommentar verfassen  
Tags: ,

The A6 Murder am 22. August 1961 bei Clophill (Bedfordshire)

Der Deadman’s Hill und die A6: Schauplatz des Verbrechens.
Photo © Rodney Burton (cc-by-sa/2.0)

In den Abendstunden des 22. Augusts 1961 trafen sich der verheiratete Michael Gregsten und seine Geliebte Valerie Storie wieder einmal zu einem Schäferstündchen in Gregstens Auto an einem Kornfeld bei Dorney Reach an der Grenze von Berkshire und Buckinghamshire. Plötzlich erschien ein bewaffneter Mann neben ihnen, der sie in ihrem eigenen Auto kidnappte. Am Deadman’s Hill an der A6, nahe des Ortes Clophill in Bedfordshire, musste Gregsten anhalten und wurde im Auto von dem Kidnapper mit zwei Kopfschüssen getötet. Valerie Storie wurde vergewaltigt und gezwungen auszusteigen, woraufhin der Killer fünf  Schüsse auf sie abfeuerte. Storie überlebte schwer verletzt und war für den Rest ihres Lebens von der Hüfte abwärts gelähmt.

Am 9. Oktober nahm die Polizei in Blackpool einen Kleinkriminellen namens James Hanratty fest,  den Valerie Storie als den Mörder ihres Freundes identifizierte. Während des ganzen Gerichtsverfahrens beteuerte Hanratty seine Unschuld, wurde von den Geschworenen aber für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Am 4. April 1962 hängte man James Hanratty im Bedford Prison auf; er war einer der letzten in England, an dem die Todesstrafe vollstreckt wurde.

Schon während der polizeilichen Untersuchung kamen Zweifel an der Schuld Hanrattys auf. Ein gewisser Peter L. Alphon sagte, dass er den Mord begangen habe, zog dann diese Äußerung wieder zurück und blieb auch weiterhin eine mysteriöse Figur in dem Fall.

Im Laufe der Jahre wurde der Fall Hanratty auf Drängen seiner Familie noch mehrmals neu aufgerollt, aber die Polizei kam zu keinen anderen Ergebnissen. 2001 wurde seine Leiche exhumiert, um eine DNA-Probe zu entnehmen. Aber auch die DNA erwies sich als übereinstimmend mit den Spuren, die am Tatort gefunden wurden. Einige Zweifler hielten es für möglich, dass die DNA kontaminiert worden ist und waren nach wie vor von Hanrattys Unschuld überzeugt. Einen Tag vor seiner Exekution schrieb James Hanratty einen Brief an seinen Bruder, in dem er noch einmal seine Unschuld beteuerte.

Mehrere Bücher wurden über den „A6 Murder“ geschrieben. War James Hanratty wirklich derjenige, der an dem verhängnisvollen Abend an der A6 in Bedfordshire die tödlichen Schüsse auf Michael Gregsten abgab oder wurde hier tatsächlich ein unschuldiger Mensch hingerichtet?

Hier sind Original-Filmaufnahmen aus den 1960er Jahren zu sehen.

Valerie Storie starb am 26. März 2016 in Slough (Berkshire).

Das Buch zum Thema:
Alan Razen: The Inconvenient Truth. CreateSpace Independent Publishing 2014. 110 Seiten. ISBN 978-1500353254. (Das letzte erschienene Buch über den Mordfall).

Das Bedford Prison: Hier wurde die Todesstrafe an James Hanratty vollzogen.
Photo © Dennis simpson (cc-by-sa/2.0)

Published in: on 11. Juli 2019 at 02:00  Comments (1)  
Tags: ,